In unserem Darm tummeln sich Billionen von Bakterien, die unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden beeinflussen. Die Darmflora (auch Mikrobiom genannt) ist wichtig für die Verdauung, die Abwehr von gefährlichen Keimen und Giften sowie die Stärkung des Immunsystems. Viele Funktionen, die unsere Mitbewohner im Darm erfüllen, sind aber immer noch unbekannt [1].
Die Zusammensetzung der Darmbakterien ist bei jedem Menschen anders und verändert sich im Laufe des Lebens. Forschende haben in den letzten 20 Jahren Muster festgestellt, an denen sich ein gesunder Darm erkennen lässt. Was bislang bekannt ist: Es gibt Faktoren, die kontinuierlich die Zusammensetzung der Darmbakterien beeinflussen. Das sind einerseits Alter, Geschlecht und genetische Veranlagung – aber vor allem auch die Ernährung. Sie können über die Auswahl Ihrer Lebensmittel selbst beeinflussen, welche Bakterien Ihren Darm besiedeln [2].
Informieren Sie sich in diesem Artikel zu den Funktionen der Darmflora, welche Erkrankungen mit ihr zusammenhängen und wie Sie eine gesunde Darmflora fördern können.
Kurzübersicht: Darmflora
- Die Darmflora, unser Mikrobiom, besteht aus bis zu 100 Billionen verschiedenen Organismen.
- Unsere Darmflora ist so individuell wie ein Fingerabdruck, weil bereits die Geburt, aber auch die Ernährung, unsere genetische Veranlagung, Stress, Infektionen und Medikamente darauf Einfluss nehmen.
- Neben der Verdauung hat die Darmflora weitere Aufgaben, wie Vitamine und Aminosäuren zu produzieren sowie das Immunsystem und den Stoffwechsel zu fördern.
- Unterschiedliche Symptome können auf eine gestörte Darmflora hinweisen. Dazu gehören verschiedene Bauchbeschwerden, Haut- und Konzentrationsprobleme.
- Eine Dysbiose der Darmflora wird mit unterschiedlichen (chronischen) Erkrankungen in Verbindung gebracht. Gesundheitsfördernde Darmbakterien werden wiederum gezielt bei Erkrankungen wie dem Reizdarmsyndrom eingesetzt und weiter erforscht.
- Bei Beschwerden oder nach der Einnahme von Antibiotika können Sie Ihre Darmflora mit Prä- und Probiotika und einer angepassten Ernährung unterstützen. Klären Sie vorab Ihre Symptome mit Ihren Ärzt*innen.
Was ist die Darmflora?
Bis zu 100 Billionen verschiedene Organismen wie Bakterien, Viren und Pilze leben in Ihrem Darm. Diese Mikroorganismen werden zusammengefasst Darmflora oder auch Mikrobiom genannt.
Die Bakterien nehmen vom Mund bis zum Dickdarm zu und so sitzen die meisten dort, wo die Verdauung schon fast vorbei ist: in der Darmschleimhaut des Dickdarms [3]. Ist der Prozess gestört und die Bakterien wandern vom Dick- zum Dünndarm, kann es zu starken Blähungen, Bauchschmerzen, Gelenkschmerzen, Nährstoffmangel und Blutarmut (Anämie) kommen. Dieses noch zum Teil unerforschte Krankheitsbild nennt man auch bakterielle Überbesiedlung oder Fehlbesiedlung [4].
Gut zu wissen: Eine bakterielle Fehlbesiedlung kann zum Beispiel entstehen, wenn Sie Breitbandantibiotika nehmen. Breitbandantibiotika sind Arzneimittel, die gegen zahlreiche Arten von Bakterien wirken und oft bei gefährlichen Krankheiten eingesetzt werden [4].
Babys sind schon vor der Geburt dem Mikrobiom in der Gebärmutter ausgesetzt. Diese scheint das Mikrobiom des Kindes zu beeinflussen. Besonders in den ersten Lebensmonaten bis zum dritten Lebensjahr nimmt die Artenvielfalt zu und stabilisiert sich. Die Art der Geburt und die Ernährung wirken sich stark auf die Entwicklung des Mikrobioms aus.
Wussten Sie schon? Bei einer vaginalen Geburt gehen die Bakterien des Geburtskanals und des Darms auf das Baby über. Kinder, die per Kaiserschnitt geboren werden, haben eine andere Darmbesiedelung und geraten vor allem mit Hautbakterien in Kontakt [2].
Die Darmflora hängt mit der Entwicklung des Immunsystems und dem Wachstum des Babys zusammen. Es beeinflusst uns unser ganzes Leben und wir können es wiederum auch beeinflussen. Das Darmmikrobiom ist so einzigartig wie der Fingerabdruck, da es sich bei jeder Person anders entwickelt [4].
Welche Formen der Darmflora gibt es?
Die verschiedenen Formen der Darmflora heissen Enterotypen. Dabei herrscht entweder ein Bakterienstamm vor oder sie sind zu ähnlichen Anteilen vorhanden:
- Enterotyp 1 – Bacteroides: westliche Ernährungsweise (viele tierische Proteine, Gesamtfette, gesättigte Fette, einfache Zucker; wenig Obst, Gemüse und andere Ballaststoffe)
- Enterotyp 2 – Prevotella: pflanzenbetonte Ernährung mit vielen Ballaststoffen
- Enterotyp 3 – Ruminococcus: Mischform aus Typ 1 und 2
Die Enterotypen scheinen unabhängig von Gewicht, Alter, Geschlecht oder Nationalität vorzukommen. Falls ein Enterotyp die Ursache für eine Erkrankung ist, lohnt sich eine langfristige Ernährungsumstellung, um den Enterotypen zu ändern [4].
Welche Aufgaben hat die Darmflora?
Die Darmflora ist für den Menschen überlebenswichtig. Unter anderem arbeiten die Darmbakterien ganz massgeblich an der Verdauung der Nahrung mit. Die "guten" und für unseren Körper lebenswichtigen Bakterien der Darmflora haben zahlreiche weitere Aufgaben, zum Beispiel [4], [5], [6]:
- Sie erzeugen aus unserer Nahrung das sogenannte Butyrat. Butyrat ist eine kurzkettige Fettsäure, die nachweislich zur Darmgesundheit beiträgt, indem sie Mechanismen zur Abwehr von Stress fördert.
- Sie stellen eine Reihe von unverzichtbaren Aminosäuren her.
- Sie produzieren bestimmte Vitamine, wie Vitamin K und wasserlösliche B-Vitamine.
- Sie stärken unser Immunsystem, neutralisieren Giftstoffe und schützen uns vor Krankheitserregern.
- Sie wirken auf die mentalen Funktionen des Gehirns und unseren Stoffwechsel ein.
Eine im Fachmagazin Science publizierte Studie zeigte, dass Darmbakterien allergische Reaktionen blockieren können. Durch ihren Einfluss auf unser Immunsystem können sie Immunzellen hemmen, die für das Auslösen von Allergien verantwortlich sind. Dieser Zusammenhang könnte in Zukunft ein Ansatz für neue Therapieoptionen für Allergiker*innen sein [7].
Gestörte Darmflora
Sind die Bakterien aus dem Gleichgewicht geraten, ist die Darmflora gestört. Das hat ganz unterschiedliche Gründe und kann in verschiedenen Bereichen des Körpers Beschwerden auslösen.
Was sind die Gründe für eine gestörte Darmflora?
Die Gründe für eine gestörte Darmflora sind unterschiedlich. Mögliche Ursachen sind [4]:
- Grosse Mengen Antibiotika und andere Medikamente
- Umweltgifte
- Schlechte Ernährung, Alkoholmissbrauch
- Stress
- Magen-Darm-Störungen
- Infektionen
- Alter, Geschlecht
Gut zu wissen: Eine fettreiche Ernährung mit vielen gesättigten Fettsäuren und Fleisch erhöhen das Risiko an Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa zu erkranken. Dieses Risiko kann durch eine vegetarische Ernährungsweise verringert werden. Viel rotes Fleisch scheint Darmkrebs zu begünstigen. Fachleute empfehlen daher eine ballaststoffreiche Ernährung mit vielen Vollkornprodukten, Obst und Gemüse [4].
Was sind die Symptome einer gestörten Darmflora?
Herrscht ein Ungleichgewicht zwischen den verschiedenen Arten und Stämmen von Bakterien und dem Immunsystem, schwächt das die Abwehrkräfte im Darm. Die Folge davon können sein [4], [8]:
- Magen-Darm-Probleme wie Verstopfung, Durchfall bis hin zu Entzündungsprozessen und Darmkrankheiten
- Übergewicht und Stoffwechselstörungen
- generell geschwächte Abwehrkräfte und damit häufigere Infekte
- schlechte Haut
- Probleme der Atemwege und Konzentrationsschwäche
- Gelenk- und Muskelschmerzen
Tipp: Bei Beschwerden suchen Sie am besten Ihre*n Hausärzt*in auf. Dort wird dann entschieden, ob Sie zur Gastroenterologie oder einem anderen Fachbereich überwiesen werden.
Darmflora aufbauen
Falls ihre Darmflora aus dem Gleichgewicht geraten ist und damit weniger „gute“ als „schlechte“ Bakterienstämme in Ihrem Darm vorhanden sind, können Sie Ihren Darm wieder aufbauen. Das kann bei Beschwerden, wie Blähungen oder auch Durchfall nach Antibiotika-Einnahme helfen – auch in Form einer Darmsanierung. Sie sollten die Beschwerden und den Darmflora-Aufbau allerdings ärztlich abklären und sich dabei begleiten lassen.
Wird eine solche Dysbiose festgestellt, sollte sie so schnell wie möglich behandelt werden, damit die sich die Zusammensetzung des Mikrobioms nicht langfristig verändert und gesundheitliche Probleme entstehen [4].
In unserem Gesundheitsportal finden Sie noch weitere Tipps, mit denen Sie Ihre Darmgesundheit fördern können.
Wie kann ich eine gestörte Darmflora wieder aufbauen?
Studien zeigen deutlich, dass unsere Ernährung auch unsere Darmflora beeinflusst. Was wir essen spielt eine wesentliche Rolle dabei, welche Darmbewohner überleben und sich vermehren. Denn unsere Bakterien ernähren sich von dem, was wir ihnen über die Ernährung geben. Um Ihre Ernährung darmfreundlich und ausgewogen zu gestalten, kann sich auch eine professionelle Ernährungsberatung lohnen.
Mit probiotischen Lebensmitteln, Präbiotika und resistenter Stärke können Sie den Darm auf natürlichem Wege heilen. Probiotika enthalten lebende Darmbakterien, die sich im Darm ansiedeln können. Präbiotika dienen den guten Darmbakterien als Futter und können die Darmflora wieder ins gesunde Gleichgewicht bringen – vor allem im Dickdarm. Pro- und Präbiotika unterstützen nicht nur die Bildung gesunder Bakterien, sondern verdrängen auch die negativen Vertreter in unserem Darm [8], [9], [24].
Damit genügend lebensfähige Bakterien im Darm ankommen, sollte eine Dosis mindestens eine Milliarde koloniebildender Einheiten (kbE) enthalten. Steckt ein therapeutischer Ansatz hinter der Einnahme, kann Ihr*e Ärzt*in oder Therapeut*in Ihnen eine bestimmte Dosis Probiotika empfehlen [8].
Studien deuten darauf hin, dass Probiotika zum Beispiel eine Laktoseintoleranz verbessern, Durchfälle, Verstopfung und Blähungen verringern, krebsfördernde Enzyme senken, bei Vaginitis helfen, Nahrungsmittelallergien abmildern und sich günstig auf Neurodermitis auswirken können [8].
Was ist resistente Stärke?
Als resistente Stärke werden Stärke und Stärkeabbauprodukte bezeichnet. Resistente Stärke entsteht, wenn Sie Nudeln, Reis oder Kartoffeln nach dem Kochen abkühlen lassen. Die enthaltene Stärke (lange Kette von Zuckerbausteinen) lagert sich dabei um und bildet ein festes Konstrukt, das erst durch die Darmbakterien aufgebrochen und verdaut werden kann. Die resistente Stärke wird so erst im Dickdarm als Futter für die Bakterien verdaut. Damit besitzt sie physiologische Eigenschaften, die Ballaststoffen ähneln [9]:
- Sie verbessert die Darmgesundheit
- Sie vergrössert die Menge des Stuhls
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, pro Tag 30 Gramm Ballaststoffe zu sich zu nehmen – in diese Rechnung zählt auch die resistente Stärke mit hinein. Sie kann Ihnen also helfen, sich ballaststoffreicher zu ernähren. Fachleute raten generell dazu, die Zufuhr mit resistenter Stärke langsam zu steigern, um den Darm anfangs nicht zu überfordern.
Resistente Stärke steckt ausserdem in Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten, wenig reifen Bananen und Haferflocken. Hier einige Beispiele dafür, wie viel resistente Stärke bestimmte Lebensmittel enthalten:
Menge |
Lebensmittel |
resistente Stärke |
1 |
Banane (noch nicht ganz reif) |
4,7 Gramm |
50 Gramm |
Haferflocken (ungekocht) |
4,4 Gramm |
50 Gramm |
Tiefkühl-Erbsen (gekocht) |
4,0 Gramm |
50 Gramm |
Weisse Bohnen (gekocht) |
3,7 Gramm |
50 Gramm |
Linsen (gekocht) |
2,5 Gramm |
3 |
Pellkartoffeln (abgekühlt) |
2,4 Gramm |
Gut zu wissen: Testen Sie Ihre Darmflora und unterstützen Sie sie mit gesunder Ernährung sowie probiotischen Lebensmitteln. Fragen Sie im Zweifel Ihre*n Ärzt*in oder Apotheker*in.
Wann kann ich nach Antibiotika die Darmflora wieder aufbauen?
Sie können schon während der Antibiotika-Behandlung Ihre Darmflora unterstützen und durch eine probiotische Ernährung Ihre nützlichen Darmbakterien fördern. Das mindert die Wirkung des Antibiotikums nicht und die Ernährungsweise kann auch langfristig gut für Ihren Darm sein.
Die beste Einnahmezeit von Probiotika ist mindestens eine Stunde vor oder zwei Stunden nach der der Einnahme des Antibiotikums. Eine klinische Studie untersuchte, wie sich Probiotika während der Antibiotika-Therapie auswirken. Das Ergebnis: Von den Proband*innen, die gleichzeitig Probiotika einnahmen, erkrankten 25 Prozent weniger an Durchfall [10].
Wie lange dauert der Aufbau der Darmflora nach Antibiotika-Einnahme?
Da jedes Mikrobiom und jede Antibiotika-Therapie anders sind, ist eine allgemeine Empfehlung nicht möglich. Ohne probiotische Unterstützung erholt sich die Darmflora innerhalb von ein paar Monaten. Mit Probiotikum kann die Zeit verkürzt werden. Testen Sie für sich, welches Probiotikum Ihnen hilft und wie lange es sich gut anfühlt. Besprechen Sie die Einnahme mit den Ärzt*innen, die Ihnen das Antibiotikum verschrieben haben, mit Hausärzt*innen oder Apotheker*innen.
Übrigens: Bei Kindern sollte das Verschreiben von Antibiotika besonders gut überlegt sein. In mehreren Studien wurde festgestellt, dass das kindliche Mikrobiom an Bakterienvielfalt und -reichtum verlor. Die Regeneration kann bis zu zwei Jahre dauern [11]. Besprechen Sie mit den Ärzt*innen, Heilpraktiker*innen oder mit Ihren Apotheker*innen, welches Probiotikum sich eignet. Unterstützen Sie die Darmflora Ihres Kindes mit einer angepassten Ernährungsweise.
Gut zu wissen: Ist die Darmflora Ihres Hundes oder Ihrer Katzen angegriffen, können Sie auch die über die Ernährung und gegebenenfalls Probiotika aufbauen. Sprechen Sie vorab mit Ihrer*m Tierärzt*in.
Tipps für eine gute Darmflora
Sie können eine Menge Gutes für Ihre Darmflora tun. Versuchen Sie nach und nach Ihre Gewohnheiten anzupassen, um Ihren Darm zu entlasten.
Geniessen Sie Kaffee, schwarzen Tee oder Alkohol nur in Massen. Kaffee und Alkohol wirken in hohen Mengen stark abführend, während schwarzer Tee Verstopfungen verursacht.
Bevorzugen Sie mehrere kleine Mahlzeiten. Zu viel Nahrung auf einmal überfordert unser Verdauungssystem. Essen Sie zu regelmässigen Zeiten und nur, wenn sie Hunger verspüren. Hören Sie auf zu essen, wenn das Sättigungsgefühl einsetzt.
Achten Sie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr. Trinken Sie am besten stilles Mineralwasser oder dünn gebrühten Kräutertee. Dadurch wird der Stuhl weicher, sodass keine Verstopfung auftritt und der Darm im besten Fall gut entleert wird.
Meiden Sie Fertigprodukte! Sie enthalten Zusatzstoffe, die nicht für jede*n verträglich sind und die für Beschwerden sorgen können. Verzichten Sie weitestgehend auf Sossen und Panaden, besonders wenn sie stark fetthaltig sind. Sie sind schwer verdaulich und können Bauchschmerzen und Durchfall verursachen. Meiden Sie ausserdem stark fettreiche, zuckerreiche und proteinreiche Lebensmittel.
Kauen Sie gründlich! Dadurch erleichtern Sie dem Darm die Aufnahme der Nährstoffe. Es kommt zu weniger Beschwerden wie Verstopfung, Blähungen und Sodbrennen.
Essen Sie ballaststoffreiche Lebensmittel wie Vollkorn, Haferflocken und Leinsamen. Ihr Stuhl wird lockerer und mehr Schadstoffe können ausgeschieden werden. Ausserdem unterstützen Ballaststoffe unsere wichtigen Darmbakterien. Gut für Ihren Darm sind auch fünf Portionen Obst und Gemüse am Tag. Neben Vitaminen und Mineralstoffen enthalten sie zusätzlich Wasser.
Bauen Sie probiotische und präbiotische Lebensmittel täglich in Ihren Speiseplan ein, um Ihre gesundheitsfördernden Darmbakterien zu stärken [4].
Achten Sie auf ausreichend Bewegung. Bewegung fördert die Darmmotorik und die Verdauung. [12].
Tipp: Wenn Sie Ihre Ernährung ballaststoffreicher gestalten wollen, sollten Sie die Mengen langsam steigern. Der Darm muss sich zunächst an die grössere Menge an Ballaststoffen gewöhnen, sonst drohen Blähungen und Verstopfung.
Darmflora und Immunsystem
Zwischen der Darmflora und dem Immunsystem gibt es viele komplexe Zusammenhänge. 70 bis 80 Prozent der Zellen unseres Immunsystems sitzen im Darm. Die Darmflora spielt eine wichtige Rolle in der Abwehr von Krankheitserregern und Entzündungen [2].
Unser angeborenes Immunsystem im Darm verhindert, dass Krankheitserreger eindringen und sich ausbreiten. Gibt es ein Leck, wandern schädliche Bakterien und Erreger in den Darm und das Gleichgewicht ist gestört.
Um die Verteidigung aufrechtzuerhalten, gibt es einen ständigen Informationsaustausch zwischen dem Immunsystem und den guten Bakterien. Zu diesen gesunden Bakterien gehören vor allem die Gattungen der Laktobazillen und Bifidobakterien, die auch einen grossen Teil der Darmflora ausmachen.
Was kann das Immunsystem im Darm schwächen?
Gibt es weniger „gute“ Bakterien und die „schlechten“ nehmen überhand, können sich Entzündungen leichter ausbreiten und Krankheitserreger in den Körper eindringen.
Zu einem solchen Ungleichgewicht der Darmflora, der Dysbiose, kann es unter anderem wegen ungesunder Ernährung mit vielen gesättigten Fetten und Zucker oder nach einer Antibiotika-Therapie kommen [7].
Darmflora und Erkrankungen
Der Darm und der Rest Ihres Körpers hängen auf vielen Ebenen zusammen. Da ist es wenig verwunderlich, dass eine gestörte Darmflora auch mit vielen Krankheiten in Verbindung stehen kann. Das kann die Darmgesundheit betreffen – aber auch etwa die Haut und die Psyche.
Darmflora und Reizdarm
In Deutschland leiden Schätzungen zufolge etwa 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung am Reizdarmsyndrom – einer der häufigsten chronischen Magen-Darm-Erkrankungen [13].
Seit kurzer Zeit empfehlen die Leitlinien der Ärzt*innen auch die Gabe von Probiotika als Therapieoption. Darmbeschwerden wie Bauchschmerzen, Blähungen, Durchfall und Verstopfung können durch die Einnahme der lebenden Bakterien gelindert werden.
Neue Studien stellten fest, dass sich die Darmflora von Reizdarmpatient*innen von denen gesunder Menschen unterscheidet. Reizdarmpatient*innen zeigen eine gestörte Darmflora mit einer Vielzahl an „schlechten“ Bakterien. Ärzt*innen können je nach Beschwerden die passenden Probiotika auswählen [13].
Darmflora und entzündliche Darmerkrankungen
Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa haben sich seit dem Beginn des 21. Jahrhunderts zu einem weltweiten Problem entwickelt [14]. Bis heute können Wissenschaftler*innen nicht genau sagen, was die Auslöser der Darmentzündungen sind.
Die Wissenschaft ist sich in einer Sache einig: Die Darmflora ist ein Puzzleteil in der Entstehung von Darmentzündungen [15], [16]. Studien zeigen, dass die Darmflora sowohl bei Menschen mit Morbus Crohn als auch Colitis Ulcerosa deutlich mehr schlechte Bakterien als gute enthält und die Bakterienvielfalt geringer ist. Dieses Ungleichgewicht erschwert dem Immunsystem seine Arbeit. Durch Fehlsteuerungen der Abwehrkräfte kann es dann vermutlich vermehrt zu Entzündungen kommen [17], [18].
Wissenschaftliche Untersuchungen liefern gerade vielversprechende Ergebnisse zur Behandlung von Colitis Ulcerosa: Die schützenden Bakterien Laktobazillen und Bifidobakterien konnten als Probiotika die Darmflora positiv verändern und Krankheitssymptome lindern [19], [20], [21].
Es wird auch weiterhin erforscht, inwiefern Stuhltransplantationen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen und weiteren Autoimmunerkrankungen helfen könnten. Bisher heilte sie vor allem wiederholte Infektionen durch das Bakterium Clostridium difficile [22], [23].
Gut zu wissen: Die Blutgruppen hängen mit unseren individuellen Darmbakterien zusammen. Dass Genetik und Darmflora miteinander verbunden sind, lässt Forschende weiter nach einer Behandlung von chronischen Darmerkrankungen auf diesem Weg suchen [24].
Darmflora und Depression
Unser Gehirn enthält Milliarden von Neuronen, die eine enge Beziehung zu den Billionen von „guten“ und „schlechten“ Darmbakterien haben. Die Darmflora übermittelt wohl Signale an die Neuronen in unserem Gehirn. In Stresssituationen kann die Darmflora sich tatsächlich verändern - was unter Umständen mit dieser Zusammenarbeit zwischen Neuronen und Darmbakterien zu tun hat [25].
Das liess Wissenschaftler*innen vermuten, dass Probiotika die Symptome von Depressionen verringern könnten. Die Vermutung wurde 2016 in einer Studie bestätigt – dies war allerdings die erste Überprüfung dieser Art [26]. Eine in der Fachzeitschrift Nature veröffentlichte Studie aus dem Jahr 2011 zeigte schon beeindruckende Ergebnisse: Das Füttern gesunder Mäuse mit Probiotika trug im Vergleich zu Kontrollmäusen dazu bei, angstähnliches und depressives Verhalten zu reduzieren. Ob diese Ergebnisse auf Menschen übertragbar sind, müssen zukünftige Untersuchungen zeigen [27].
In den letzten Jahren gab es mehrere Studien zu Psychobiotika. Diese Probiotika linderten Depressionen, Stressempfinden und Angststörungen. Dazu haben sie ein geringes Risiko von Nebenwirkungen. Doch da die Verbindung zwischen Gehirn und Darmflora ist noch nicht ausreichend erforscht ist, kann hier noch keine eindeutige Empfehlung gegeben werden [28].
Übrigens: Die Darmflora war in Studien bei Alzheimer-Betroffenen verändert im Vergleich zu gesunden Proband*innen. Wissenschaftler*innen hoffen auch hier einen neuen Behandlungsansatz zu finden [29].
Darmflora und Neurodermitis
Nicht nur in unserem Darm leben zahlreiche Bakterien - die Haut hat ebenfalls ihr eigenes Bakterien-Ökosystem. Wie auch im Darm gibt es hier Mikroorganismen, die als besonders nützlich, neutral und oder krankmachend eingestuft werden [30]. Wissenschaftler*innen untersuchen derzeit, ob sie Menschen mit Neurodermitis helfen können, indem sie über die Darmflora Einfluss auf die Bakterien der Haut nehmen. So könnte eine optimale Darmgesundheit auch die Haut schützen.
Eine 2019 veröffentlichte Studienanalyse kam zu dem Schluss, dass Probiotika helfen können, das Neurodermitis-Risiko bei Kindern zu senken. Dabei spielte es keine Rolle, ob die Mutter die Probiotika während der Schwangerschaft einnahm oder das Kind sie von klein auf erhielt [8].
Darmflora und Hautbild: Über die Wirksamkeit von Pro- und Präbiotika in kosmetischen Produkten ist bislang wenig bekannt. Möglicherweise regen sie das Wachstum der nützlichen Bakterien an, wenn sie direkt auf die Haut aufgetragen werden. Forschende sind noch dabei, das in weiteren Studien zu untersuchen [30].
Darmflora und Rheuma
Rheuma ist eine weit verbreitete Erkrankung und umfasst etwa 100 unterschiedliche Krankheitsformen. Sie können entzündlich oder chronische Schmerzsyndrome des Bewegungsapparates sein, durch Stoffwechselerkrankungen entstehen oder durch Veränderungen der Organe und des Gewebes. Es gibt unterschiedliche Behandlungsmethoden, je nach Beschwerdebild [31].
In Studien wurden mehrere rheumatische Erkrankungen untersucht und in der Darmflora der Proband*innen ein Ungleichgewicht festgestellt. Es wird weiter an möglichen bakterienbasierten Therapien geforscht [32].
Darmflora und Menstruationsbeschwerden
Die Darmgesundheit kann auch auf Menstruationsbeschwerden Einfluss nehmen. Östrogen wirkt auf die Darmflora und kann Bauchschmerzen und Durchfälle auslösen. Andersherum beeinflusst die Darmflora den Östrogenspiegel, indem dieser durch eine geringere Bakterienvielfalt gesenkt wird. Erste Studien zeigen, dass das Darmmikrobiom im Zusammenhang mit menstrualen Erkrankungen, wie der Endometriose stehen kann [33].
Quellen
[1] A. Gagliardi u. a., „Rebuilding the Gut Microbiota Ecosystem“, International Journal of Environmental Research and Public Health, Bd. 15, Nr. 8, Art. Nr. 8, Aug. 2018, doi: 10.3390/ijerph15081679.
[2] V. Ronan, R. Yeasin, und E. C. Claud, „Childhood Development and the Microbiome—The Intestinal Microbiota in Maintenance of Health and Development of Disease During Childhood Development“, Gastroenterology, Bd. 160, Nr. 2, S. 495–506, Jan. 2021, doi: 10.1053/j.gastro.2020.08.065.
[3] K. Honda und D. R. Littman, „The microbiome in infectious disease and inflammation“, Annu. Rev. Immunol., Bd. 30, S. 759–795, 2012, doi: 10.1146/annurev-immunol-020711-074937.
[4] H. Kasper und W. Burghardt, Ernährungsmedizin und Diätetik, 12., Überarb. Aufl. München: Elsevier, Urban & Fischer, 2014.
[5] A. Savadogo, A. C. Ouattara, H. I. Bassole, und S. A. Traore, „Bacteriocins and lactic acid bacteria - a minireview“, African Journal of Biotechnology, Bd. 5, Nr. 9, Art. Nr. 9, 2006, doi: 10.4314/ajb.v5i9.42771.
[6] A. Tanca u. a., „Potential and active functions in the gut microbiota of a healthy human cohort“, Microbiome, Bd. 5, Nr. 1, S. 79, Juli 2017, doi: 10.1186/s40168-017-0293-3.
[7] A. Nishida, R. Inoue, O. Inatomi, S. Bamba, Y. Naito, und A. Andoh, „Gut microbiota in the pathogenesis of inflammatory bowel disease“, Clin J Gastroenterol, Bd. 11, Nr. 1, S. 1–10, Feb. 2018, doi: 10.1007/s12328-017-0813-5.
[8] H.-K. Biesalski und M. Adolph, Hrsg., Ernährungsmedizin: nach dem neuen Curriculum Ernährungsmedizin der Bundesärztekammer ; 276 Tabellen, 4., Vollst. überarb. und erw. Aufl. Stuttgart: Thieme, 2010.
[9] R. Orel und T. Kamhi Trop, „Intestinal microbiota, probiotics and prebiotics in inflammatory bowel disease“, World J Gastroenterol, Bd. 20, Nr. 33, S. 11505–11524, Sep. 2014, doi: 10.3748/wjg.v20.i33.11505.
[10] J. A. Hawrelak und S. P. Myers, „The causes of intestinal dysbiosis: a review“, Altern Med Rev, Bd. 9, Nr. 2, S. 180–197, Juni 2004.
[11] L. McDonnell u. a., „Association between antibiotics and gut microbiome dysbiosis in children: systematic review and meta-analysis“, Gut Microbes, Bd. 13, Nr. 1, S. 1870402, Jan. 2021, doi: 10.1080/19490976.2020.1870402.
[12] M. J. Keenan u. a., „Role of resistant starch in improving gut health, adiposity, and insulin resistance“, Adv Nutr, Bd. 6, Nr. 2, S. 198–205, März 2015, doi: 10.3945/an.114.007419.
[13] „Reizdarmsyndrom - Darmflora rückt in den Focus :: Deutsche Gesellschaft für mukosale Immunologie und Mikrobiom“. http://www.dgmim.de/index.php?id=223 (zugegriffen 25. Juli 2018).
[14] S. C. Ng u. a., „Worldwide incidence and prevalence of inflammatory bowel disease in the 21st century: a systematic review of population-based studies“, Lancet, Bd. 390, Nr. 10114, S. 2769–2778, Dez. 2017, doi: 10.1016/S0140-6736(17)32448-0.
[15] P. I. Baker, D. R. Love, und L. R. Ferguson, „Role of gut microbiota in Crohn’s disease“, Expert Rev Gastroenterol Hepatol, Bd. 3, Nr. 5, S. 535–546, Okt. 2009, doi: 10.1586/egh.09.47.
[16] D. Haller, „Nutrigenomics and IBD: the intestinal microbiota at the cross-road between inflammation and metabolism“, J Clin Gastroenterol, Bd. 44 Suppl 1, S. S6-9, Sep. 2010, doi: 10.1097/MCG.0b013e3181dd8b76.
[17] X.-R. Xu, C.-Q. Liu, B.-S. Feng, und Z.-J. Liu, „Dysregulation of mucosal immune response in pathogenesis of inflammatory bowel disease“, World J Gastroenterol, Bd. 20, Nr. 12, S. 3255–3264, März 2014, doi: 10.3748/wjg.v20.i12.3255.
[18] M. Zhou, J. He, Y. Shen, C. Zhang, J. Wang, und Y. Chen, „New Frontiers in Genetics, Gut Microbiota, and Immunity: A Rosetta Stone for the Pathogenesis of Inflammatory Bowel Disease“, Biomed Res Int, Bd. 2017, S. 8201672, 2017, doi: 10.1155/2017/8201672.
[19] E. M. M. Quigley, „Prebiotics and Probiotics“, Nutrition in Clinical Practice, Bd. 27, Nr. 2, S. 195–200, 2012, doi: 10.1177/0884533611423926.
[20] K. Kato u. a., „Randomized placebo-controlled trial assessing the effect of bifidobacteria-fermented milk on active ulcerative colitis“, Alimentary Pharmacology & Therapeutics, Bd. 20, Nr. 10, S. 1133–1141, 2004, doi: 10.1111/j.1365-2036.2004.02268.x.
[21] H.-H. Cui u. a., Effects of probiotic on intestinal mucosa of patients with ulcerative colitis, Bd. 10. in World J. Gastroenterol., Nr. 10, vol. 10. 2004.
[22] R. Yang, Z. Chen, und J. Cai, „Fecal microbiota transplantation: Emerging applications in autoimmune diseases“, Journal of Autoimmunity, S. 103038, Apr. 2023, doi: 10.1016/j.jaut.2023.103038.
[23] „Das Gastroenterologie-Portal: Stuhltransplantation“. https://dasgastroenterologieportal.de/Stuhltransplantation.html (zugegriffen 26. Juli 2023).
[24] „Blutgruppe bestimmt Zusammensetzung des Darmmikrobioms mit“, Uni Kiel, 18. Juli 2023. https://www.uni-kiel.de/de/detailansicht/news/006-ruehlemann-naturegen (zugegriffen 25. Juli 2023).
[25] J. A. Foster, „Gut feelings: bacteria and the brain“, Cerebrum, Bd. 2013, S. 9, 2013.
[26] R. Huang, K. Wang, und J. Hu, „Effect of Probiotics on Depression: A Systematic Review and Meta-Analysis of Randomized Controlled Trials“, Nutrients, Bd. 8, Nr. 8, S. 483, Aug. 2016, doi: 10.3390/nu8080483.
[27] A. L. Kau, P. P. Ahern, N. W. Griffin, A. L. Goodman, und J. I. Gordon, „Human nutrition, the gut microbiome and the immune system“, Nature, Bd. 474, Nr. 7351, S. 327–336, Juni 2011, doi: 10.1038/nature10213.
[28] M. Del Toro-Barbosa, A. Hurtado-Romero, L. E. Garcia-Amezquita, und T. García-Cayuela, „Psychobiotics: Mechanisms of Action, Evaluation Methods and Effectiveness in Applications with Food Products“, Nutrients, Bd. 12, Nr. 12, S. 3896, Dez. 2020, doi: 10.3390/nu12123896.
[29] C.-C. Hung, C.-C. Chang, C.-W. Huang, R. Nouchi, und C.-H. Cheng, „Gut microbiota in patients with Alzheimer’s disease spectrum: a systematic review and meta-analysis“, Aging, Bd. 14, Nr. 1, S. 477–496, Jan. 2022, doi: 10.18632/aging.203826.
[30] F. H. Al-Ghazzewi und R. F. Tester, „Impact of prebiotics and probiotics on skin health“, Benef Microbes, Bd. 5, Nr. 2, S. 99–107, Juni 2014, doi: 10.3920/BM2013.0040.
[31] Deutsche Rheuma Liga, „Ist es Rheuma?“ https://www.rheuma-liga.de/rheuma/ist-es-rheuma (zugegriffen 26. Juli 2023).
[32] Y. Wang u. a., „Gut dysbiosis in rheumatic diseases: A systematic review and meta-analysis of 92 observational studies“, eBioMedicine, Bd. 80, Juni 2022, doi: 10.1016/j.ebiom.2022.104055.
[33] R. Siddiqui, Z. Makhlouf, A. M. Alharbi, H. Alfahemi, und N. A. Khan, „The Gut Microbiome and Female Health“, Biology, Bd. 11, Nr. 11, Art. Nr. 11, Nov. 2022, doi: 10.3390/biology11111683.