Bei einer Hämochromatose speichert Ihr Körper grosse Mengen Eisen – man nennt sie auch Eisenspeicherkrankheit. Als Folge können schwere gesundheitliche Probleme auftreten. Regelmässige Blutabnahmen stellen zurzeit die einzig effektive Therapie dar.
Eisen geht im Körper wichtigen Aufgaben nach, es ist unter anderem essentiell für den Sauerstofftransport und die Blutbildung. Sowohl ein Mangel als auch ein Überschuss können deswegen Vorgänge im Körper durcheinanderbringen.
Während ein Eisenmangel als weltweit häufigste Mangelerscheinung gilt, ist die Hämochromatose, auch Eisenspeicherkrankheit, die häufigste genetische Störung in Nordeuropa. Genmutationen, Störungen im Eisenstoffwechsel oder Doping regen dabei den Körper dazu an, sich mit Eisen aus der Nahrung zu überladen. Daraufhin lagern sich beträchtliche Mengen Eisen in den Organen ab: Das Risiko von Organversagen und Krebserkrankungen kann steigen.
Lesen Sie in diesem Artikel, welche Symptome bei einer Hämochromatose auftreten und welche Ursachen hinter dieser Erkrankung stecken. Ausserdem: Wie kann eine Aderlass-Therapie das überschüssige Eisen aus dem Körper leiten? Und hilft eine Ernährungstherapie?
Was ist eine Hämochromatose?
Bei einer Hämochromatose, auch Eisenspeicherkrankheit, nimmt der Körper zu viel Eisen aus der Nahrung auf. Genauer gesagt nimmt der Dünndarm zu viel Eisen auf. Daraufhin sammeln sich sehr grosse Mengen freies Eisen in den Organen ab. Besonders gefährlich sind solche Ablagerungen in Herz, Leber oder Bauchspeicheldrüse.
Das freie Eisen leitet den Zelltod ein, wodurch Gewebe langsam absterben kann – im schlimmsten Fall versagen die Organe, wenn die Erkrankung nicht rechtzeitig behandelt wird [1].
Gut zu wissen: der Eisenstoffwechsel. Im Normalfall speichert Ihr Körper knapp fünf Gramm Eisen – davon befindet sich der Grossteil im Blutfarbstoff Hämoglobin. Hämoglobin verleiht den roten Blutkörperchen ihre rote Farbe, nimmt Sauerstoff auf und transportiert ihn über das Blut in sämtliche Zellen. Die Leber reguliert mithilfe des Proteins Hepcidin, wie viel Eisen Ihr Darm aus der Nahrung in das Blut einschleusen soll. Sind Ihre Eisenspeicher leer, hemmt die Leber die Hepcidin-Freisetzung. Daraufhin steigt die Eisenaufnahme im Darm. So versucht der Körper beispielsweise, bei einer Blutarmut (Anämie) die Eisenzufuhr aufrechtzuerhalten [2].
Die unterschiedlichen Formen einer Hämochromatose
Man unterscheidet zwischen einer primären und sekundären Hämochromatose:
Bei der primären oder auch hereditären Hämochromatose handelt es sich um einen erblichen Gendefekt. Diese genetische Störung regt die Eisenaufnahme aus dem Darm an – Wissenschaftler*innen vermuten, dass das daran liegt, dass die Funktion eines Proteins namens Hepcidin beeinträchtigt ist. Die primäre Hämochromatose betrifft einen von 250 Menschen mit nordeuropäischer Abstammung. Für Männer ist sie gefährlicher: Bei ihnen wird im Falle einer Hämochromatose 24-mal mehr Eisen gespeichert als bei Frauen [3], [4].
Die sekundäre Hämochromatose ist zum einen die Folge bestimmter Erkrankungen. Aber auch eine zu hohe Eisenzufuhr aus der Nahrung kann die Eisenspeicherkrankheit auslösen. Ausserdem kann es durch Doping, das eine chemische Leistungssteigerung der Muskeln verfolgt, zu einer Eisenüberladung im Körper kommen, die sich im Alter noch verstärkt, wenn nichts getan wird, um das überschüssig Eisen aus dem Körper zu leiten [5],[6] .
Wie diagnostiziert man eine Hämochromatose?
Eine Blutuntersuchung gibt Aufschluss drüber, wie viel Eisen sich im Körper befindet. Oft wird dabei das Ferritin gemessen, die Speicherform des Eisens. Ein Überschuss an Eisen im Blut kann bereits ein erster Hinweis auf die Eisenspeicherkrankheit sein.
Zudem prüfen Ärzt*innen die Aktivität des Proteins Hepcidin. Mithilfe von bildgebenden Verfahren wie einem MRT können sie feststellen, in welchen Organen sich Eisen angesammelt hat. Um mögliche Organschäden zu untersuchen, wird eine Gewebeprobe (Biopsie) entnommen [3], [7].
Welche Symptome treten bei einer Hämochromatose auf?
Zunächst treten bei einer Hämochromatose unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Bauchschmerzen sowie Gelenkschmerzen auf.
Je länger die Erkrankung unerkannt bleibt, desto schwerwiegender werden die Folgen. Zu den Krankheiten, die durch die Eisenspeicherkrankheit wahrscheinlicher werden, gehören [1]:
- Diabetes mellitus
- Herzversagen
- Leberzirrhose, Leberzellkrebs
- Schilddrüsenunterfunktion
Gut zu wissen: Bronze-Diabetes. Eine Ansammlung von Eisen in der Bauchspeicheldrüse kann zu Diabetes mellitus führen. Doch diese Art von Diabetes unterscheidet sich von den typischen Formen, da bei diesem sogenannten Bronze-Diabetes die Haut einen bronzefarbenen Ton annehmen kann [7].
Hämochromatose und Lebererkrankungen
Das freie Eisen verursacht in der Leber Schäden, vor allem wenn die Hämochromatose nicht rechtzeitig therapiert wird. Es kann zu einem Absterben der Leberzellen führen, woraufhin die Leber schrumpft – eine Leberzirrhose ist die Folge. Diese kann in Leberzellkrebs ausarten oder Leberversagen bedingen [3].
Ursachen einer Hämochromatose
Neben einem Gendefekt können auch Vorerkrankungen, Eisen-Nahrungsergänzungsmittel und ein starker Alkoholkonsum das Risiko einer Hämochromatose erhöhen [1], [8].
Wussten Sie schon? Typischerweise haben Menschen mit einer Blutarmut zu wenig Eisen im Körper. Doch bei der Thalassämie, einer besonderen, genetisch bedingten Form der Blutarmut, sind die Eisenwerte in der Regel normal. Brauchen Betroffene Bluttransfusionen gegen die Anämie, besteht die Gefahr, dass es wegen des zugeführten Blutes zu einem Eisenüberschuss kommt [1], [8]?
Führen Nahrungsergänzungsmittel zu einer Hämochromatose?
Hochdosierte Eisen-Supplemente können zu einer Eisenüberladung führen, insbesondere wenn ein gestörter Eisenstoffwechsel vorliegt. Ab einer Einnahme von 40 bis 45 Milligramm Eisen pro Tag steigt das Risiko eines Eisenüberschusses und einer Eisenvergiftung. Deshalb sollte Sie nicht mehr als 15 Milligramm Eisen am Tag supplementieren [2], [9]–[11].
Wussten Sie schon? Eine Hämochromatose, die durch zu viel Eisen in der Nahrung entsteht, ist vor allem in Teilen Afrikas südlich der Sahara verbreitet. Das liegt daran, dass die Menschen dort traditionell alkoholische Getränke in Eisengefässen brauen und herstellen – dadurch sind die Spirituosen extrem eisenhaltig und können zu einer Eisenvergiftung führen [12].
Doping und Hämochromatose
Doping-Mittel sind illegale Aufputschmittel, die für bessere Leistungen im Sport sorgen sollen. Im Leistungssport war lange Zeit besonders EPO beliebt. Ihr Körper bildet eigentlich eigenständig EPO (Erythropoietin) – ein Hormon, das die Bildung von roten Blutkörperchen anregt, sodass mehr Sauerstoff transportiert werden kann. So können im Leistungssport bessere Erfolge erzielt werden.
Doch um mehr rote Blutkörperchen zu bilden, benötigt der Körper mehr Eisen: Somit führt EPO auch dazu, dass mehr Eisen aus der Nahrung aufgenommen wird, was zu einem Eisenüberschuss führen kann.
Therapie der Hämochromatose
Bislang gibt es keine medikamentöse Therapie, um das überschüssige Eisen aus dem Körper zu entfernen. Die einzige effektive Behandlung ist der Aderlass – also kontrolliertes Blutabnehmen. Pro Sitzung werden knapp 500 Milliliter Blut abgenommen.
Da der Körper diesen Blutverlust ausgleichen muss, regt er die Blutbildung an – dabei wird überschüssiges Eisen verbraucht. Pro Aderlass können so knapp 250 Milligramm Eisen aus dem Körper geführt werden.
Wie häufig Blut abgenommen werden muss, hängt vom Schweregrad der Erkrankung ab. Zu Beginn sind es in der Regel ein bis zwei Aderlässe pro Woche. Wenn sich der Eisenspiegel normalisiert hat, führen Ärzt*innen in der Regel weiterhin drei bis vier Aderlässe im Jahr durch [1], [7].
Wie sollte ich mich bei einer Hämochromatose ernähren?
Der aktuellen Studienlage zufolge gibt es keine eindeutigen Ernährungsempfehlungen. Bis dato konnten Forscher nicht klären, ob eine eisenarme Diät tatsächlich eine effektive Methode zusätzlich zum Aderlass darstellt.
Bei einer erblich bedingten Hämochromatose raten einige Forscher auf den Verzicht von:
- Eisen-Nahrungsergänzungsmitteln
- Nahrungsergänzungsmitteln mit Vitamin A und Vitamin C – sie fördern die Eisenaufnahme
- Alkohol – fördert ebenfalls die Eisenaufnahme
- Rotes Fleisch – sehr eisenhaltig
Auf der anderen Seite können Calcium-Supplemente helfen, die Eisenaufnahme zu hemmen. Denn das Calcium konkurriert im Körper mit dem Eisen darum, aufgenommen zu werden. Eine Ernährung, die reich an Hülsenfrüchten und Vollkorngetreide ist, kann zusätzlich dazu beitragen, die Eisenaufnahme zu drosseln. Diese Lebensmittel enthalten Phytate – Nährstoffe, die die Eisenaufnahme im Darm erschweren [13].
Mehr zum Thema Eisenaufnahme lesen Sie in unserem Artikel über Eisen in Lebensmitteln.
Generell legen viele Ärzt*innen ihren Patient*innen eine ausgewogene, fleischarme Diät, wie die Mittelmeer-Diät ans Herz. Ausserdem wird auch schwarzem Tee eine positive Auswirkung zugesprochen. Das enthaltende Tannin hemmt die Eisenaufnahme [14].
Therapie mit Chelatbildnern
Chelatbildner sind bestimmte Medikamente, die eingesetzt werden, um das freie Eisen im Körper zu binden. Wenn das Eisen gebunden ist, kann es im Körper nicht mehr wirken und wird über den Stuhl ausgeschieden. Diese Therapie kommt vor allem bei Menschen mit einer Blutarmut zum Einsatz, da bei ihnen oft keine Aderlässe durchgeführt werden können [15].
Auf einen Blick: Hämochromatose
Was ist eine Hämochromatose?
Angeborene Störungen im Eisenstoffwechsel, bestimmte Erkrankungen und eine Überdosierung von Eisen-Nahrungsergänzungsmitteln können dazu führen, dass der Körper zu viel Eisen speichert, das sich daraufhin in den Organen absetzt. Dadurch können Organschäden eintreten.
Welche Symptome treten bei einer Hämochromatose auf?
Müdigkeit, Bauchschmerzen und Gelenkschmerzen können in der Anfangszeit einer Hämochromatose auftreten.
Mit zunehmendem Verlauf steigt das Risiko von Diabetes mellitus, Leberzirrhose und Leberzellkrebs.
Wie therapiert man eine Hämochromatose?
Um eine Hämochromatose effektiv zu behandeln, müssen zu Beginn der Therapie mehrmals pro Woche Aderlässe durchgeführt werden, um das überschüssige Eisen aus dem Körper zu leiten.
Leiden Sie an einer Blutarmut, werden statt Aderlässen möglicherweise Chelatbildner zur Ausleitung eingesetzt. Bislang gibt es keine klaren Ernährungsempfehlungen.
Quellenangaben
[1] L. W. Powell, R. C. Seckington, und Y. Deugnier, „Haemochromatosis“, Lancet Lond. Engl., Bd. 388, Nr. 10045, S. 706–716, Aug. 2016, doi: 10.1016/S0140-6736(15)01315-X.
[2] I. Elmadfa, Ernährungslehre, 3. Aufl. Verlag Eugen Ulmer Stuttgart, 2015.
[3] S. Golfeyz, S. Lewis, und I. S. Weisberg, „Hemochromatosis: pathophysiology, evaluation, and management of hepatic iron overload with a focus on MRI“, Expert Rev. Gastroenterol. Hepatol., Bd. 12, Nr. 8, S. 767–778, Aug. 2018, doi: 10.1080/17474124.2018.1496016.
[4] B. K. Crownover und C. J. Covey, „Hereditary hemochromatosis“, Am. Fam. Physician, Bd. 87, Nr. 3, S. 183–190, Feb. 2013.
[5] M. Queiroz-Andrade u. a., „MR Imaging Findings of Iron Overload“, RadioGraphics, Bd. 29, Nr. 6, S. 1575–1589, Okt. 2009, doi: 10.1148/rg.296095511.
[6] G. Jacobasch und M. Bauer-Marinovic, „Eisen, ein Januskopf-Element“, S. 7, 2004.
[7] J. L. Porter und P. Rawla, „Hemochromatosis“, in StatPearls, Treasure Island (FL): StatPearls Publishing, 2020. Zugegriffen: 6. Februar 2020. [Online]. Verfügbar unter: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/books/NBK430862/
[8] A. T. Taher und A. N. Saliba, „Iron overload in thalassemia: different organs at different rates“, Hematol. Am. Soc. Hematol. Educ. Program, Bd. 2017, Nr. 1, S. 265–271, 08 2017, doi: 10.1182/asheducation-2017.1.265.
[9] J. C. Barton, P. L. Lee, C. West, und S. S. Bottomley, „Iron overload and prolonged ingestion of iron supplements: Clinical features and mutation analysis of hemochromatosis-associated genes in four cases“, Am. J. Hematol., Bd. 81, Nr. 10, S. 760–767, 2006, doi: 10.1002/ajh.20714.
[10] T. P.-Y. Chang und C. Rangan, „Iron poisoning: a literature-based review of epidemiology, diagnosis, and management“, Pediatr. Emerg. Care, Bd. 27, Nr. 10, S. 978–985, Okt. 2011, doi: 10.1097/PEC.0b013e3182302604.
[11] A. S. Manoguerra u. a., „Iron ingestion: an evidence-based consensus guideline for out-of-hospital management“, Clin. Toxicol. Phila. Pa, Bd. 43, Nr. 6, S. 553–570, 2005, doi: 10.1081/clt-200068842.
[12] V. R. Gordeuk, „African iron overload“, Semin. Hematol., Bd. 39, Nr. 4, S. 263–269, Okt. 2002, doi: 10.1053/shem.2002.35636.
[13] M. D. Beaton und P. C. Adams, „The myths and realities of hemochromatosis“, Can. J. Gastroenterol., Bd. 21, Nr. 2, S. 101–104, Feb. 2007.
[14] „Tipps zu Ernährung & Bewegung | Leben mit Transfusionen“, Tipps zu Ernährung & Bewegung. https://www.leben-mit-transfusionen.de/leben-mit-transfusionen/ernaehrung-und-bewegung (zugegriffen 29. April 2022).
[15] P. Brissot, A. Pietrangelo, P. C. Adams, B. de Graaff, C. E. McLaren, und O. Loréal, „Haemochromatosis“, Nat. Rev. Dis. Primer, Bd. 4, S. 18016, 05 2018, doi: 10.1038/nrdp.2018.16.