Unser Schlaf wird unter anderem von dem Hormon Melatonin gesteuert, das uns abends müde macht und uns ein- und durchschlafen lässt. Gerät der Melatonin-Haushalt durcheinander, kann das zu Schlafproblemen führen.
Schlafprobleme sind weit verbreitet – und laut einer Umfrage der Krankenkasse Die Techniker mit der Corona-Pandemie im Jahr 2020 noch einmal schlimmer geworden. Laut der Untersuchung schlief jede zehnte befragte Person in Zeiten von Corona schlechter als zuvor, jede*r Sechste bekommt an Arbeitstagen höchstens fünf Stunden Schlaf [1].
Ein Grund dafür könnte sein: Wir gehen nicht gut mit unserem Schlafhormon Melatonin um! Das Melatonin wird abends ausgeschüttet, lässt uns müde werden und hilft uns beim Einschlafen und Durchschlafen. Doch unter anderem Stress, Alkohol und das Licht von Smartphones und Laptops können den Melatonin-Haushalt durcheinanderbringen.
Wir verraten Ihnen in diesem Artikel, wie Melatonin gebildet wird, wann melatoninhaltige Nahrungsergänzungsmittel den Schlaf verbessern können und mit welchen weiteren Massnahmen Sie den Spiegel des Schlafhormons ins Gleichgewicht bringen können.
Melatonin im Überblick
- Das Schlafhormon Melatonin hilft beim Ein- und Durchschlafen und ist unter anderem an der Immunabwehr und der Regulierung des Blutdrucks beteiligt.
- Hergestellt wird Melatonin im Gehirn, aus dem Glückshormon Serotonin, das wiederum aus der Aminosäure Tryptophan gebildet wird.
- Lange Dunkelphasen im Winter und Herbst, Antidepressiva und hochdosierte Nahrungsergänzungsmittel mit B-Vitaminen können dazu führen, dass zu viel Melatonin gebildet wird. Zu viel Melatonin kann unter anderem zu depressiven Verstimmungen führen und in der dunklen Jahreszeit das Risiko einer Winterdepression erhöhen.
- Zu viel Helligkeit am späten Abend, Schichtarbeit, Stress, Tabak, Alkohol und Nikotin können die Melatonin-Bildung stören. Zu wenig Melatonin stört häufig den Schlaf und sorgt tagsüber für Müdigkeit und Konzentrationsschwäche.
- Sie können Ihren Melatoninhaushalt unter andere durch Tageslichtlampen verbessern. Auch abendliche Mahlzeiten mit Vollkorngetreide, Hülsenfrüchten, Fisch und ein wenig Obst können die Melatoninproduktion im Körper anregen.
- Eine weitere Option sind Melatoninprärate vor dem Schlafengehen.
Was ist Melatonin?
Melatonin ist ein Hormon, das in der Zirbeldrüse des Zwischenhirns gebildet wird. Seine Hauptaufgabe ist es, unseren Schlaf-Wach-Rhythmus zu steuern.
Die Herstellung des Hormons hängt davon ab, wie viel Licht auf unsere Augen trifft. Sobald weniger Licht an bestimmten Rezeptoren im Auge ankommt, werden Signale an das Zwischenhirn gesendet, das daraufhin die Melatonin-Produktion ankurbelt.
Bei Tageslicht sinkt die Melatonin-Konzentration dann wieder stark [2].
Warum ist Schlaf so wichtig? Während Sie schlafen, finden in Ihrem Körper Reparaturprozesse statt, Muskeln erholen sich, wichtige Hormone werden gebildet und alle Zellen werden mit Nährstoffen versorgt. Mehr über die Bedeutung von Schlaf erfahren Sie in unserem Artikel über Schlafprobleme. Sie finden in unserem Gesundheitsportal auch Artikel über Schlafapnoe und das Restless-Legs-Syndrom sowie Tipps zum besseren Einschlafen und Durchschlafen und Infos über die Ursachen von Schlafstörungen [2].
Wie wirkt Melatonin?
Melatonin hilft vor allem dabei, den Schlafrhythmus zu steuern. Wenn die Melatonin-Konzentration abends steigt, verspüren wir zunehmend Müdigkeit und Entspannung. Die Körpertemperatur sinkt, die Atmung wird langsamer und der ganze Körper bereitet sich auf die Nachtruhe vor.
Neben seiner Funktion als Schlafhilfe trägt das Hormon dazu bei, bestimmte Vorgänge im Körper zu steuern [3]-[6]:
- Körpertemperatur
- Blutdruck
- Immunabwehr und antioxidative Wirkung
Melatonin steuert den Schlaf-Wach-Rhythmus
Die innere Uhr des Menschen vermittelt dem Körper, wann er schlafen, aufwachen und essen soll. Dadurch pendelt sich ein 24-Stunden-Takt ein, der auch zirkadianer Rhythmus genannt wird. Über den Tag hinweg ändern sich dabei in unserem Körper zahlreiche Dinge – vor allem Blutdruck, Körpertemperatur und die Spiegel vieler Hormone [2].
Hormone im Tagesverlauf
Morgens sinkt der Melatonin-Spiegel nach und nach, dafür steigt der Spiegel des Stresshormons Cortisol rasch an. Das hilft Ihnen, aus den Federn zu kommen und aktiv und aufmerksam in den Tag zu starten.
Das Glückshormon Serotonin wird im Laufe des Tages gebildet, es macht wach und verbessert Ihre Laune.
Wird es dunkel, wandelt das Gehirn immer mehr Serotonin in Melatonin um. Das Schlafhormon lässt Sie müde werden und ermöglicht das Einschlafen. Im Schnitt gegen zwei Uhr nachts erreicht die Melatonin-Konzentration ihren Höhepunkt [7].
Tipp: Wenn Sie sich professionelle Hilfe für einen gesünderen Schlaf holen wollen, ist vielleicht unser Schlafcoaching etwas für Sie.
Erhöhte Melatonin-Werte
Dass der Melatonin-Spiegel über den Tag hinweg schwankt, ist ganz normal. Doch es kann vorkommen, dass die Melatonin-Werte zu hoch sind und beispielsweise tagsüber nicht so stark sinken wie sie sollten. Das kann vor allem zu Müdigkeit, Abgeschlagenheit und depressiven Verstimmungen führen.
Ursachen einer zu hohen Melatonin-Konzentration können zum Beispiel sein:
- Lange Dunkelphasen (im Winter)
- Tryptophan-Therapie, Antidepressiva
- Einnahme grosser Mengen Melatonin über Präparate
- Hochdosierte Therapie mit Vitamin B3 und B6
- Schwangerschaft
Winterdepression
Viele Menschen leiden im Herbst und Winter unter den Symptomen einer Depression – man spricht dann von einer saisonalen Depression oder auch Winterdepression. Expert*innen vermuten, dass der Melatonin-Haushalt bei diesen Winterdepressionen eine Rolle spielt.
Die kurzen Tage und das wenige Sonnenlicht führen dazu, dass der Melatoninspiegel im Winter auch tagsüber erhöht ist. Deswegen brauchen wir in der kalten Jahreszeit etwas mehr Schlaf, sind oft träger und schwermütiger als im Sommer.
Bei einigen Menschen ist der Effekt aber deutlich verstärkt. Sorgt der Überschuss an Melatonin dafür, dass zu wenig Serotonin im Gehirn ist, dann kann es zu den depressiven Symptomen kommen [8].
Vermutlich spielen der zirkadiane Rhythmus und damit der Melatonin-Haushalt auch eine Rolle bei vielen nicht-saisonalen Depressionen – Wissenschaftler*innen forschen deswegen an Medikamenten und Therapien, die auch den Schlafrhythmus von Menschen mit Depressionen verbessern [9], [10].
Niedrige Melatonin-Werte (Melatoninmangel)
Von Natur aus nimmt der Melatonin-Wert mit steigendem Alter ab. So vermindert sich die körpereigene Produktion ab dem 25. Lebensjahr. Das ist ganz normal – doch sinken die Werte zu sehr oder zu den falschen Tageszeiten, kann das Ihren Schlaf stören.
Einige Faktoren im Alltag können einen abendlichen Melatoninmangel wahrscheinlicher machen [11]-[14]:
- Lange helle Phasen oder Lichteinflüsse am Abend
- Verringerter Serotonin-Spiegel
- Einnahme von Beta-Blockern, Kortison-Präparaten oder Acetylsalicylsäure (Aspirin)
- Tabak, Alkohol und Koffein (vor allem abends)
- Intensiver Sport am Abend, Stress oder Schichtarbeit
Stören Handy und Laptop den Melatonin-Rhythmus?
Scheint im Sommer spätabends noch die Sonne, kann das die Melatonin-Produktion verzögern und damit den Schlafrhythmus nach hinten verschieben.
Auch künstliches Licht am Abend hat einen Einfluss auf die Melatonin-Bildung. Es kann die innere Uhr verwirren, die Melatonin-Ausschüttung verzögern und so den Rhythmus durcheinanderbringen. Das gilt vermutlich besonders für das helle Licht von Fernsehern, Laptops und Smartphones.
Lange galt die abendliche Nutzung von Smartphones und Bildschirmen wegen des blauen Lichts als besonders schädlich für den Schlafrhythmus. Mittlerweile sind Expert*innen aber nicht mehr sicher, ob es nicht vielmehr auf die Helligkeit der Bildschirme ankommt – dann könnten etwa Blaulichtfilter von Smartphones nicht den erwünschten Effekt haben.
So oder so bedeutet das: Schalten Sie Handy, Fernseher und PC am besten mindestens eine Stunde vor dem Schlafengehen aus – das hilft Ihrem Gehirn, rechtzeitig Melatonin zu produzieren und in den Nachtmodus umzuschalten [15].
Alkohol, Rauchen und Koffein
Alkohol hat zwar eine betäubende Wirkung, die das Einschlafen erleichtert. Doch er hemmt die Melatonin-Bildung und erschwert dadurch das Durchschlafen. Das macht den Schlaf insgesamt deutlich weniger erholsam als ohne Alkohol.
Einen ähnlichen Effekt haben Nikotin und Koffein, auf beides sollten Sie abends verzichten [12].
Stress und Cortisol
Stress kann den Melatonin-Haushalt und den Schlaf stören. Das Stresshormon Cortisol ist ein Gegenspieler von Melatonin. Abendlicher Stress, der auch durch Sport hervorgerufen werden kann, versetzt den Körper in Alarmbereitschaft, wenn er eigentlich in die Erholungsphase übergehen soll.
Auch Kortison-Präparate, die eine künstliche Form von Cortisol enthalten, können den Melatonin-Spiegel senken [13].
Gut zu wissen: Sport ist gut für Ihren Schlaf! Achten Sie dabei nur auf die richtige Uhrzeit. Zu kurz vor dem Schlafengehen sorgt intensive Bewegung für mehr Stresshormone und erschwert das Einschlafen. Wenn Sie sich aber tagsüber auspowern, am besten an der frischen Luft, justieren Sie damit Ihre innere Uhr und verbessern den Schlafrhythmus.
Jetlag und Schichtarbeit
Das Fliegen durch mehrere Zeitzonen bringt häufig den Schlaf-Wach-Rhythmus durcheinander. Ihre innere Uhr tickt nach der Ortszeit Ihrer Zeitzone. Auf einen neuen Takt von Tag und Nacht muss sich der Körper erst nach und nach einstellen. In dieser Übergangsphase sind Sie dann tagsüber müde und nachts hellwach. Weitere mögliche Symptome sind Kopfschmerzen und Verwirrtheit.
Sie bemerken diesen Jetlag genannten Effekt besonders bei Flügen in den Osten [16].
Wie beuge ich einem Jetlag vor?
Je nachdem, in welche Himmelsrichtung Sie fliegen, können Sie mit den richtigen Tipps einem Jetlag vorbeugen oder wenigstens die Beschwerden abschwächen [17], [18]
Tipps für Flüge in den Osten (nach Asien und Australien):
- Nehmen Sie am Zielort abends Melatoninpräparate ein (Faustregel: zwischen 22 und 0 Uhr)
- Beginnen Sie drei Tage vor dem Flug eine Lichttherapie, täglich morgens 30 Minuten
Tipps für Flüge in den Westen (nach Nord- und Südamerika):
- Nehmen Sie am Zielort morgens nach dem Aufstehen Melatonin ein
- Versuchen, Sie, Ihre alten Schlafgewohnheiten möglichst gleich beizubehalten
Sozialer Jetlag: Verschobener Rhythmus durch Schichtarbeit
Zu einer Verschiebung Ihres Schlaf-Wach-Rhythmus kann es auch ohne Fernreisen kommen. Schlafforscher*innen sprechen von einem sozialen Jetlag: Meist betrifft das Menschen in Schichtarbeit, die ständig gegen den Takt von Tag und Nacht und ihre eigene innere Uhr leben. Ihr Körper gewöhnt sich in diesem Fall daran, tagsüber Melatonin zu produzieren. Das kann zu Schlafproblemen und gesundheitlichen Risiken führen [19].
Mehr über den sozialen Jetlag und die Probleme von Schichtarbeit lesen Sie in unserem Artikel über den gesunden Schlafrhythmus.
Tipps für einen gesunden Melatonin-Haushalt
Es gibt einige Dinge, die Sie im Alltag tun können, um Ihren Melatonin-Haushalt und damit Ihre Schlafhygiene zu optimieren. Dazu gehören vor allem einige kleine Kniffe in der Ernährung und eine Lichttherapie.
Ernährung und Melatonin
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, den Melatonin-Haushalt über die Ernährung zu beeinflussen. Dabei geht es in der Regel darum, abends Lebensmittel zu verzehren, die Ihre Melatonin-Ausschüttung steigern.
Welche Lebensmittel enthalten Melatonin?
Einige Lebensmittel enthalten das Hormon Melatonin in geringen Mengen. Dazu gehören unter anderem Bananen, Erdbeeren, Tomaten und Nüsse.
Einige Studien erforschen zudem, ob andere Nährstoffe die Melatonin-Ausschüttung verbessern können – gesichert sind die Zusammenhänge aber derzeit nicht. Zu den Kandidaten zählen Omega-3-Fettsäuren, Vitamin D, Vitamin B3 und B6 sowie Magnesium [20].
Melatonin-Produktion mit Tryptophan anregen
Ausserdem können Nahrungsmittel, die Tryptophan enthalten, zur Melatonin-Bildung beitragen. Tryptophan ist eine Aminosäure, die der Körper dazu braucht, Serotonin in Melatonin umzuwandeln. Wenn Sie also Lebensmittel mit viel Tryptophan essen, vor allem abends, helfen Sie Ihrem Körper auch dabei, Melatonin zu bilden.
Tryptophan kommt unter anderem in folgenden Lebensmitteln vor [21], [22]:
- Milch, Parmesankäse, Emmentaler, Edamer
- Weizenkeime, Vollkorngetreide, Steinpilze
- Fisch, Hühnerei
- Linsen, Bohnen
Tipp: Wenn Sie abends Hülsenfrüchte verzehren, können Sie sie mit Kreuzkümmel zubereiten. Ein Teelöffel davon soll die blähende Wirkung der Hülsenfrüchten mindern [23].
Hilft warme Milch wirklich beim Einschlafen? Als Kind haben Sie vielleicht auch ein Glas warme Milch mit Honig bekommen, um besser einzuschlafen. Das hilft tatsächlich – weil Milch die Aminosäure Tryptophan enthält. Der Zucker im Honig lässt den Körper zudem Insulin ausschütten, wodurch Tryptophan leichter in das Nervensystem transportiert und dort für die Bildung von Melatonin verwendet wird [24].
Lichttherapie – Lampen gegen Schlafstörungen, Müdigkeit und Jetlag
Die Lichttherapie mit speziellen Tageslichtlampen ist ein Verfahren, mit dem sich Schlafstörungen, Tagesmüdigkeit und Jetlag behandeln lassen. Wenn Sie sich morgens für eine halbe Stunde dieser Lichtquelle aussetzen, wird vermehrt Melatonin abgebaut.
Diese Methode eignet sich besonders im Herbst und Winter, wenn es am Morgen noch sehr dunkel ist. Ebenso fällt es Schichtarbeitenden mithilfe einer Tageslichtlampe in der Nacht leichter, die Arbeit wach zu überstehen. Wenn Sie über den Tag geschlafen haben und abends mit einer Tageslichtlampe die Melatonin-Bildung herabsenken, sind sie weniger müde.
Auch eine Kombination mit Melatonin-Präparaten ist möglich: Dann nehmen Sie abends vor dem Schlafengehen das Melatonin ein und nutzen morgens nach dem Aufstehen die Tageslichtlampe [17],[25].
Gut zu wissen: Nicht nur Tageslichtlampen helfen Ihrem Schlafrhythmus – auch das Tageslicht selbst wirkt sich positiv aus! Wenn Sie tagsüber viel draussen sind, kann Ihr Körper Ihren Rhythmus besser mit dem Wechsel von Tag und Nacht abgleichen.
Melatonin-Präparate: Melatonin als Schlafmittel?
Sie können Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel oder Medikament einnehmen.
Schon kleinere Mengen des Hormons sorgen dafür, dass der Melatoninspiegel im Körper rasch auf ein Vielfaches der normalen Werte ansteigt. Die Wirkung tritt in der Regel innerhalb von 20 bis 60 Minuten nach der Einnahme ein. Im Laufe der Nacht wird das Melatonin dann wieder abgebaut.
Einigen Studien zufolge konnten Menschen mit Schlafproblemen durch die Verwendung von Melatonin besser ein- und durchschlafen – am besten funktionierte das bei Menschen ab 55 Jahren. Im Gegensatz zu vielen Schlafmitteln führte die Melatonin-Einnahme in den Studien auch nicht zu Müdigkeit am nächsten Tag [26], [27].
Darf Melatonin in der Schweiz verkauft werden?
In der Schweiz ist Melatonin derzeit nur als Wirkstoff in Schlafmitteln für Menschen ab 65 Jahren zugelassen, um Schlaflosigkeit (Insomie) zu behandeln. Es ist trotzdem möglich, Präparate aus dem Ausland zu bestellen – in einigen Ländern, zum Beispiel in Deutschland oder den USA, ist Melatonin rezeptfrei als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich.
Für Melatonin sind von der Europäischen Lebensmittelbehörde EFSA zwei Wirkungen bestätigt, mit denen Hersteller von Präparaten werben dürfen:
- Melatonin trägt zur Linderung des subjektiven Jetlag-Gefühls bei.
- Melatonin trägt dazu bei, die Einschlafzeit zu verkürzen.
Gut zu wissen: Schlafmittel (Hypnotika) wie Benzodiazepine sind in den letzten Jahren in die Kritik geraten. Sie können zu Tagesmüdigkeit führen, abhängig machen und Entzugserscheinungen verursachen. Ausserdem stehen Benzodiazepine und ähnliche Medikamente in Verdacht, das Risiko von Krebs und Demenz zu erhöhen. Diese Mittel dürfen ausschliesslich mit ärztlichem Rezept und nur für kurze Zeit eingenommen werden [28], [29].
Wie viel Melatonin darf ich einnehmen?
Nahrungsergänzungsmittel dürfen nur eine bestimmte Dosis Melatonin enthalten. Handelt es sich um Kapseln oder Tabletten, darf die Dosis pro Kapsel oder Tablette maximal 1 Milligramm Melatonin betragen. Produkte mit höheren Dosierungen müssen Hersteller von den Behörden prüfen lassen [30].
Melatonin-Präparate, die Sie ärztlich als Medikament gegen Schlafstörungen verschrieben bekommen, können auch höhere Dosen enthalten.
Wichtig: Generell sollten Sie eine Schlafstörung ärztlich abklären lassen, bevor Sie Melatonin einnehmen. Nehmen Sie ausserdem keine Dosis ein, die über die Empfehlungen hinausgeht – zu viel Melatonin könnte sonst Ihren Schlaf stören.
Lesen Sie in unserem Gesundheitsportal noch mehr über die Einnahme und Dosierung von Melatonin.
Wogegen könnten Melatonin-Präparate helfen?
Die Einnahme von Melatonin-Präparaten könnte Studien zufolge möglicherweise die Einschlafzeit verkürzen und die Schlafqualität verbessern. Ausserdem ist der Einsatz von Melatonin vielversprechend bei folgenden Problemen [31]:
- Jetlag
- Schlafphasensyndrom (Schlafstörungen, bei der Betroffene erst gegen zwei Uhr nachts einschlafen können)
- Schlaflosigkeit (Insomnie)
Weitere Anwendungen sind derzeit Gegenstand wissenschaftlicher Studien. Unter anderem wird erforscht, ob Melatonin als Medikament gegen bestimmte Formen von Bluthochdruck hilft [32].
Forscher*innen untersuchen zudem, ob Melatonin die Wirkung von bestimmten Krebsmedikamenten, etwa gegen Brustkrebs, verstärken könnte. Bislang kommen Ergebnisse dazu aber nur aus Tierstudien – ob sich das auf den Menschen übertragen lässt, ist noch unklar [33].
Studien legen zudem nahe, dass Melatonin auch gegen chronischen Haarausfall helfen kann, wenn es in Flüssigkeit gelöst auf die Kopfhaut aufgetragen wird [34]. Erfahren Sie in unserem Gesundheitsportal mehr über Haarausfall bei Männern und Haarausfall bei Frauen.
Wer darf kein Melatonin einnehmen?
Bei Epilepsie und Autoimmunerkrankungen wie Diabetes mellitus raten Forscher von Melatonin als Nahrungsergänzungsmittel ab. Auch wenn Sie unter Depressionen leiden, sollten Sie ohne ärztliche Rücksprache kein Melatonin einnehmen.
Wechselwirkungen kann es auch zwischen Melatonin und Betablockern gegen Bluthochdruck geben – wobei Studien gezeigt haben, dass Melatonin-Präparate womöglich die Nebenwirkungen der Blutdrucksenker lindern [14].
Generell sollten Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt sprechen, wenn Sie dauerhaft Medikamente einnehmen und Melatonin ausprobieren möchten [17].
Dürfen Kinder Melatonin nehmen?
Wissenschaftliche Untersuchungen, in denen Kinder Melatonin einnahmen, kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Vermutlich kann das Schlafhormon Kindern mit bestimmten Erkrankungen helfen. Eingesetzt wird Melatonin heute, um Schlafstörungen von Kindern mit Autismus und ADHS zu behandeln – nur für solche Zwecke ist es in Deutschland zugelassen [35].
Derzeit raten Expert*innen davon ab, gesunden Kindern das Schlafhormon zu geben. Eine Nutzenbewertung durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) kam im Jahr 2019 zu dem Schluss, dass Melatonin für Kinder insgesamt keine erwiesenen Vorteile bringt [36].
Nebenwirkungen: Kann Melatonin schädlich sein?
Sollten Sie Melatonin zu hoch dosiert einnehmen oder das Präparat nicht vertragen, können Kopfschmerzen, Magenschmerzen, Stimmungsschwankungen und Halluzinationen auftreten.
Wichtig ist auch, dass Sie Melatonin nur abends einnehmen. Tagsüber kann es zu einer starken Tagesmüdigkeit führen, die wiederum das Risiko von Unfällen erhöht [2].
Verlässliche Studien dazu, wie es sich auswirkt, wenn Sie Melatonin über einen langen Zeitraum einnehmen, gibt es derzeit noch nicht. Einige Fachleute vermuten, dass eine Dauereinnahme durchaus Organe wie die Leber belasten kann. Die Empfehlung ist deshalb, Melatonin-Präparate nicht länger als drei Monate am Stück zu verwenden.
Wie wird Melatonin gemessen?
Für Melatonin Tests kann Ihr Melatoninspiegel unter anderem im Speichel bestimmt werden. Entscheidend ist dabei die Uhrzeit, zu der Sie die Probe entnehmen – denn Melatonin schwankt deutlich über den Tag hinweg. In der Regel wird abends direkt vor dem Einschlafen gemessen.
Da Melatonin vor allem im Nervensystem wirkt, ist es im Blut nur in unbedeutenden Mengen zu finden – der Speichelwert gilt als aussagekräftiger [37].
Quellen
[1] „Jeder Zehnte in Deutschland schläft schlechter, in Zeiten von Corona. | Die Techniker - Presse & Politik“, Die Techniker. https://www.tk.de/presse/themen/praevention/gesundheitsstudien/corona-pandemie-schlaf-studie-2086318 (zugegriffen Jan. 21, 2021).
[2] „Melatonin: In Depth“, NCCIH, Apr. 24, 2014. https://nccih.nih.gov/health/melatonin (zugegriffen Juli 18, 2018).
[3] A. Cagnacci, J. A. Elliott, und S. S. Yen, „Melatonin: a major regulator of the circadian rhythm of core temperature in humans“, J. Clin. Endocrinol. Metab., Bd. 75, Nr. 2, S. 447–452, Aug. 1992, doi: 10.1210/jcem.75.2.1639946.
[4] O. Pechanova, L. Paulis, und F. Simko, „Peripheral and Central Effects of Melatonin on Blood Pressure Regulation“, Int. J. Mol. Sci., Bd. 15, Nr. 10, S. 17920–17937, Okt. 2014, doi: 10.3390/ijms151017920.
[5] A. Carrillo-Vico, P. J. Lardone, N. Álvarez-Sánchez, A. Rodríguez-Rodríguez, und J. M. Guerrero, „Melatonin: Buffering the Immune System“, Int. J. Mol. Sci., Bd. 14, Nr. 4, S. 8638–8683, Apr. 2013, doi: 10.3390/ijms14048638.
[6] R. J. Reiter, J. C. Mayo, D.-X. Tan, R. M. Sainz, M. Alatorre-Jimenez, und L. Qin, „Melatonin as an antioxidant: under promises but over delivers“, J. Pineal Res., Bd. 61, Nr. 3, S. 253–278, Okt. 2016, doi: 10.1111/jpi.12360.
[7] M. Pfeffer, H.-W. Korf, und H. Wicht, „Synchronizing effects of melatonin on diurnal and circadian rhythms“, Gen. Comp. Endocrinol., Bd. 258, S. 215–221, März 2018, doi: 10.1016/j.ygcen.2017.05.013.
[8] K. A. Roecklein, P. M. Wong, M. A. Miller, S. D. Donofry, M. L. Kamarck, und G. C. Brainard, „Melanopsin, Photosensitive Ganglion Cells, and Seasonal Affective Disorder“, Neurosci. Biobehav. Rev., Bd. 37, Nr. 3, S. 229–239, März 2013, doi: 10.1016/j.neubiorev.2012.12.009.
[9] „Novel melatonin-based therapies: potential advances in the treatment of major depression - The Lancet“. https://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(11)60095-0/abstract (zugegriffen Juli 17, 2018).
[10] M. A. Quera Salva, S. Hartley, F. Barbot, J. C. Alvarez, F. Lofaso, und C. Guilleminault, „Circadian rhythms, melatonin and depression“, Curr. Pharm. Des., Bd. 17, Nr. 15, S. 1459–1470, 2011.
[11] A. Shrivastava und Y. Saxena, „Effect of mobile usage on serum melatonin levels among medical students“, Indian J. Physiol. Pharmacol., Bd. 58, Nr. 4, S. 395–399, Dez. 2014.
[12] L. Shilo u. a., „The effects of coffee consumption on sleep and melatonin secretion“, Sleep Med., Bd. 3, Nr. 3, S. 271–273, Mai 2002.
[13] N. Zisapel, R. Tarrasch, und M. Laudon, „The relationship between melatonin and cortisol rhythms: clinical implications of melatonin therapy“, Drug Dev. Res., Bd. 65, Nr. 3, S. 119–125, Nov. 2005, doi: 10.1002/ddr.20014.
[14] A. Fares, „Night-time exogenous melatonin administration may be a beneficial treatment for sleeping disorders in beta blocker patients“, J. Cardiovasc. Dis. Res., Bd. 2, Nr. 3, S. 153–155, 2011, doi: 10.4103/0975-3583.85261.
[15] H. H. Publishing, „Blue light has a dark side“, Harvard Health. https://www.health.harvard.edu/staying-healthy/blue-light-has-a-dark-side (zugegriffen Juli 23, 2018).
[16] C. I. Eastman, C. J. Gazda, H. J. Burgess, S. J. Crowley, und L. F. Fogg, „Advancing Circadian Rhythms Before Eastward Flight: A Strategy to Prevent or Reduce Jet Lag“, Sleep, Bd. 28, Nr. 1, S. 33–44, Jan. 2005.
[17] „S3-Leitlinie: Nicht erholsamer Schlaf“, Somnologie - Schlafforschung Schlafmed., Bd. 13, Nr. S1, S. 1–160, Nov. 2009, doi: 10.1007/s11818-009-0430-8.
[18] A. Herxheimer und K. J. Petrie, „Melatonin for the prevention and treatment of jet lag“, Cochrane Database Syst. Rev., Nr. 2, S. CD001520, 2002, doi: 10.1002/14651858.CD001520.
[19] M. Wittmann, J. Dinich, M. Merrow, und T. Roenneberg, „Social Jetlag: Misalignment of Biological and Social Time“, Chronobiol. Int., Bd. 23, S. 497–509, Feb. 2006, doi: 10.1080/07420520500545979.
[20] K. Peuhkuri, N. Sihvola, und R. Korpela, „Dietary factors and fluctuating levels of melatonin“, Food Nutr. Res., Bd. 56, Juli 2012, doi: 10.3402/fnr.v56i0.17252.
[21] M.-P. St-Onge, A. Mikic, und C. E. Pietrolungo, „Effects of Diet on Sleep Quality12“, Adv. Nutr., Bd. 7, Nr. 5, S. 938–949, Sep. 2016, doi: 10.3945/an.116.012336.
[22] Lebensmitteltabelle für die Praxis; Der kleine Souci-Fachmann-Kraut, 5. Aufl. Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Stuttgart, 2011.
[23] B. Larijani u. a., „Prevention and Treatment of Flatulence From a Traditional Persian Medicine Perspective“, Iran. Red Crescent Med. J., Bd. 18, Nr. 4, Jan. 2016, doi: 10.5812/ircmj.23664.
[24] M. Valtonen, L. Niskanen, A.-P. Kangas, und T. Koskinen, „Effect of melatonin-rich night-time milk on sleep and activity in elderly institutionalized subjects“, Nord. J. Psychiatry, Bd. 59, Nr. 3, S. 217–221, 2005, doi: 10.1080/08039480510023034.
[25] aasm, „Combining bright light with melatonin produces greater advance in circadian timing“, American Academy of Sleep Medicine – Association for Sleep Clinicians and Researchers, Nov. 14, 2013. https://aasm.org/combining-bright-light-with-melatonin-produces-greater-advance-in-circadian-timing/ (zugegriffen Juli 17, 2018).
[26] R. Luthringer, M. Muzet, N. Zisapel, und L. Staner, „The effect of prolonged-release melatonin on sleep measures and psychomotor performance in elderly patients with insomnia“, Int. Clin. Psychopharmacol., Bd. 24, Nr. 5, S. 239–249, Sep. 2009, doi: 10.1097/YIC.0b013e32832e9b08.
[27] A. G. Wade u. a., „Prolonged release melatonin in the treatment of primary insomnia: evaluation of the age cut-off for short- and long-term response“, Curr. Med. Res. Opin., Bd. 27, Nr. 1, S. 87–98, Jan. 2011, doi: 10.1185/03007995.2010.537317.
[28] H.-B. Kim, S.-K. Myung, Y. C. Park, und B. Park, „Use of benzodiazepine and risk of cancer: A meta-analysis of observational studies“, Int. J. Cancer, Bd. 140, Nr. 3, S. 513–525, 2017, doi: https://doi.org/10.1002/ijc.30443.
[29] G. Zhong, Y. Wang, Y. Zhang, und Y. Zhao, „Association between Benzodiazepine Use and Dementia: A Meta-Analysis“, PLoS ONE, Bd. 10, Nr. 5, Mai 2015, doi: 10.1371/journal.pone.0127836.
[30] „Nutrition and Health Claims - European Commission“. http://ec.europa.eu/food/safety/labelling_nutrition/claims/register/public/?event=register.home (zugegriffen Juli 24, 2018).
[31] R. B. Costello u. a., „The effectiveness of melatonin for promoting healthy sleep: a rapid evidence assessment of the literature“, Nutr. J., Bd. 13, Nov. 2014, doi: 10.1186/1475-2891-13-106.
[32] E. Grossman, „Should melatonin be used to lower blood pressure?“, Hypertens. Res., Bd. 36, Nr. 8, Art. Nr. 8, Aug. 2013, doi: 10.1038/hr.2013.29.
[33] „An Overview of Melatonin and Breast Cancer“, Natural Medicine Journal. https://www.naturalmedicinejournal.com/journal/2010-02/overview-melatonin-and-breast-cancer (zugegriffen Juli 23, 2018).
[34] T. W. Fischer, R. M. Trüeb, G. Hänggi, M. Innocenti, und P. Elsner, „Topical Melatonin for Treatment of Androgenetic Alopecia“, Int. J. Trichology, Bd. 4, Nr. 4, S. 236–245, 2012, doi: 10.4103/0974-7753.111199.
[35] S. Esposito u. a., „Pediatric sleep disturbances and treatment with melatonin“, J. Transl. Med., Bd. 17, Nr. 1, S. 77, März 2019, doi: 10.1186/s12967-019-1835-1.
[36] Ärzteblatt, „Kein Zusatznutzen von Melatonin bei Schlafstörungen von Kindern und Jugendlichen“, Deutsches Ärzteblatt, Apr. 17, 2019. https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/102487/Kein-Zusatznutzen-von-Melatonin-bei-Schlafstoerungen-von-Kindern-und-Jugendlichen (zugegriffen Jan. 20, 2021).
[37] E. A. de Almeida u. a., „Measurement of melatonin in body fluids: Standards, protocols and procedures“, Childs Nerv. Syst., Bd. 27, Nr. 6, S. 879–891, Juni 2011, doi: 10.1007/s00381-010-1278-8.