Wer am Vortag zu tief ins Glas geschaut hat, entwickelt so manche Anti-Kater-Strategien. Ein Ausflug in die Wissenschaft verrät: Es gibt nur eine – etwas ernüchternde – Methode, die wirklich gegen den Kater hilft.
Brummschädel, Übelkeit, Schwindel, Schwäche, Kopfschmerzen – was wie ein Katalog von Krankheitssymptomen klingt, beschreibt den Kater. Manche Menschen dämmern einfach vor sich hin, bis das Elend nachlässt. Andere kämpfen mit Hausmittelchen und einem Katerfrühstück dagegen an.
Wir sehen uns an, was beim Kater im Körper passiert. Außerdem prüfen wir, was wissenschaftliche Studien zu sieben gängigen Anti-Kater-Methoden sagen, vom vorbeugenden Wasser trinken über Anti-Hangover-Superfoods bis hin zu Rollmops und sauren Gurken.
Was passiert beim Kater im Körper?
Wie der Kater entsteht, ist nach wie vor nicht genau geklärt. Auf jeden Fall beginnen Katerbeschwerden erst, wenn der Alkohol im Blut fertig abgebaut ist. Geistige und körperliche Fertigkeiten sind dann eingeschränkt und auch die Stimmung ist gedämpft [1]. Vermutlich führt eine Kombination aus vielen Nachwirkungen des Rausches zum Kater [2].
Warum sagen wir eigentlich „Kater“? Der Begriff könnte von „Katarrh“ kommen, was früher ein Synonym für Erkältung und Unwohlsein war und wegen halbwegs ähnlicher Symptome auch für die Nachwirkungen des Alkohols verwendet wurde. Einer anderen Theorie zufolge kam es vom früher gängigen Begriff „Katzenjammer“, der zu „Kater“ verkürzt wurde.
Theorien für die Katerentstehung
Ein bekanntes Phänomen ist die Dehydration: Alkohol entzieht dem Körper Flüssigkeit, mit dem Wasser gehen auch Elektrolyte wie Natrium, Kalium, Calcium und Magnesium verloren. Das kann unter anderem zu Kopfschmerzen führen. Der Zusammenhang klingt schlüssig – aber Forscher*innen sind sich nicht sicher, ob er auch wirklich für Katersymptome verantwortlich ist. In einigen Studien konnten bei stark verkaterten Menschen keine niedrigen Elektrolytwerte im Blut festgestellt werden [3, 4]. Auf jeden Fall ist die Dehydration also nicht alleine am Kater schuld.
Während des Katers haben Menschen einen niedrigen Blutzuckerspiegel. Das kann zu Müdigkeit, Schwäche und gedrückter Stimmung führen. Forscher*innen fanden allerdings keinen signifikanten Zusammenhang zwischen dem Blutzuckerspiegel und der Schwere der Katersymptome [4, 5].
Tipp: Lesen Sie in unserem Gesundheitsportal mehr über Blutzucker und den Langzeitblutzuckerwert HbA1c.
Eine weitere Theorie dreht sich um Acetaldehyd. Dieses Stoffwechsel-Zwischenprodukt entsteht, wenn der Körper Alkohol (Ethanol) abbaut. Acetaldehyd ist giftiger als Alkohol, es kann Katersymptome auslösen und setzt Sauerstoffradikale frei, die Zellen beschädigen können [4]. Möglich ist ebenfalls, dass durch Alkoholkonsum für einige Zeit das Immunsystem aus dem Gleichgewicht gerät. Das kann zu Entzündungsreaktionen und damit zu Übelkeit, Müdigkeit und Kopfschmerzen führen [4, 6, 7].
Veranlagungssache: Rund 23 Prozent der Menschen haben trotz ausgiebigen Alkoholkonsums keinen Kater. Fachleute sind nach wie vor dabei herauszufinden, was diese Menschen vor dem Katzenjammer schützt. Möglicherweise haben katerresistente Menschen ein besonders hartnäckiges Immunsystem [8, 9].
Was diese 7 Tipps gegen den Kater taugen
Wie schnell Ihre Leber den Alkohol abbaut, können Sie kaum beeinflussen. Und auch nur in Maßen, wie es Ihnen danach geht: Die Wirkung der meisten Anti-Kater-Mittel lässt sich nicht wissenschaftlich belegen. Mit Ihrer Lieblingsstrategie gegen den Kater können Sie sich aber zumindest etwas wohler fühlen.
1. Durcheinandertrinken – aber nicht wie Sie denken
Wechseln Sie alkoholische und nicht-alkoholische Getränke ab und trinken Sie im Laufe des Abends viel Wasser. So führen Sie Ihrem Körper mehr Flüssigkeit zu und wirken der Dehydration entgegen. Besonders ausgeprägt ist dieser Effekt bei isotonisch wirkenden Getränken, etwa bei einer Apfelschorle. Sie können auf diese Weise mit etwas Glück Durst, Schwindel und einem trockenen Mund am nächsten Tag vorbeugen. Forscher*innen bezweifeln allerdings, dass die Flüssigkeitszufuhr einen Effekt auf andere Katersymptome hat [4].
Der Trick dahinter ist womöglich: Wenn Sie sich zwischendurch mit Wasser oder Limo ablenken, trinken Sie im Laufe des Abends weniger Alkohol. Womit Sie bei Tipp 7 wären, dem besten der Tipps!
2. Alles, was wach macht und entspannt
Becherweise starker Kaffee, eine kalte Dusche, ein ausgedehnter Mittagsschlaf – solche Rituale lassen Sie wach werden und steigern das Wohlbefinden. Den Kater können Sie so aber nicht bekämpfen. Auch Sport hilft nicht – Sie können die Nebenprodukte des Alkohols nicht ausschwitzen. Für ihren Abbau müssen Sie sich wohl oder übel auf Ihre Leber verlassen. Und die arbeitet nicht schneller, nur weil Sie sich wacher oder besser fühlen.
Entspannung tut Ihnen natürlich trotzdem gut und verbessert das subjektive Wohlbefinden. Und sie hilft womöglich gegen Schuldgefühle und gedrückte Stimmung – die nach dem Alkoholgenuss häufig auftreten und Studien zufolge den Kater verschlimmern können [10]!
3. Salzige Placebos
Über salziges Essen können wir unsere verlorengegangenen Elektrolyte zurückholen. So weit, so gut. Allerdings ist es überhaupt nicht gesichert, welche Rolle Elektrolyte beim Kater überhaupt spielen [4].
Das bewährte Kater-Frühstück mit Rollmops, Sauerkraut und sauren Gurken hat vielleicht eher eine psychologische Wirkung: Die einen finden es lecker, das sorgt für Wohlbefinden. Den anderen schmeckt es überhaupt nicht und fühlt sich deswegen wie Medizin an. In beiden Fällen kann ein kleiner Placeboeffekt eintreten und die Beschwerden lindern.
Ist der Magen durch den Alkohol sehr geschwächt, können opulente Speisen zu Übelkeit und Erbrechen führen. Suppen und Apfelschorle sind elektrolythaltige Alternativen, die eher im Magen bleiben.
4. Anti-Hangover-Mittel
Einige Hersteller vertreiben Anti-Hangover-Mittel, die den Körper gezielt mit Nährstoffen versorgen und so die Katersymptome zurückdrängen oder ihnen vorbeugen sollen. Sie enthalten zum Beispiel Hefe und „Superfoods“ wie Ginko und Acerola und sind meist reich an Vitaminen, Mineralstoffen und Antioxidantien.
Forscher*innen haben eine ganze Reihe von Studien zu solchen Anti-Hangover-Medikamenten und -Nahrungsergänzungsmitteln unter die Lupe genommen. Ihr Fazit: Es gibt keinen Nachweis, dass Präparate einem Kater effektiv vorbeugen oder ihn behandeln können. Halbwegs vielversprechend erschienen aber drei Mittel: Gamma-Linolensäure aus Borretschöl, ein Kombinationspräparat auf Hanfbasis und der entzündungshemmende Wirkstoff Tolfenaminsäure [11]. Eine andere Studie beobachtete, dass der Extrakt der Kaktusfeige manche Katersymptome lindern konnte – vermutlich, weil auch er Entzündungen entgegenwirkt [12].
5. Pillen gegen den Schmerz
Bei dröhnendem Schädel greifen Verkaterte gerne mal zu Schmerztabletten. Schmerzmittel blenden die Beschwerden aber nur aus und belasten den Körper dabei unter Umständen weiter. Nehmen Sie sie nur, wenn Sie wirklich Schmerzen haben.
Nach dem Trinken sollten Sie auf Paracetamol verzichten, das wird wie der Alkohol in der Leber abgebaut wird. Zwar geht eine ordnungsgemäße Dosis Paracetamol Wissenschaftler*innen zufolge eher nicht mit der Gefahr eines Leberschadens einher, selbst bei Alkoholkranken [13]. Doch die Doppelbelastung für die Leber kann die Entgiftung verlangsamen. Acetylsalicylsäure, wie in Aspirin wiederum schlägt möglicherweise auf den ohnehin geschwächten Magen. Da bleibt noch Ibuprofen als mögliche Wahl gegen den Katerkopfschmerz.
6. Das Konterbier
Während wir alkoholisiert sind, spüren wir keine Katersymptome. Da könnte doch ein weiteres alkoholisches Getränk den Katzenjammer vertreiben!
Tatsächlich stützt eine wissenschaftliche Theorie diese These: Neben dem Alkohol Ethanol enthalten viele Getränke als Nebenprodukt Methanol. Methanol wird in der Leber in giftige Stoffe umgewandelt, die zu Katersymptomen führen können. Allerdings baut die Leber zuerst das Ethanol ab. Beschäftigt das Konterbier die Leber mit neuem Ethanol, wird vorübergehend kein Methanol abgebaut – deswegen könnten die Methanol-bedingten Beschwerden erst einmal ausbleiben [4].
Das Konterbier hat allerdings eine offensichtliche Schwäche: Es verschiebt den Kater nur. Irgendwann muss das Methanol abgebaut werden – und dann rächt sich unser Körper umso mehr, wenn wir ihm in der Zwischenzeit zusätzlichen Alkohol zugeführt haben. Kontern Sie also lieber mit Wasser und Tee.
Bourbon-Whisky verursacht einen schlimmeren Kater als Vodka – das stellten Forscher*innen in einer Studie fest. Einige alkoholische Getränke erhalten mehr Nebenprodukte, die dem Körper Probleme bereiten. Einen etwas weniger schlimmen Kater verursachen neben Vodka weitere „helle“ Alkoholika wie Gin und Weißwein [14].
7. Trinken Sie nicht so viel!
Ja, dieser Tipp ist ein wenig offensichtlich. Wir wollen Ihnen auch nicht den Spaß am Feiern verderben. Aber weniger zu trinken ist nun einmal mit Abstand die effektivste Methode, um den Kater glimpflich ausfallen zu lassen. Es ist sogar das Einzige, was wissenschaftlich gesichert funktioniert [11].
Und Hand aufs Herz: Ab einer bestimmten Menge kommt der Punkt, an dem eine Flasche Bier den Spaßfaktor nicht mehr unbedingt erhöht. Lassen Sie auch mal eine Runde aus. Geben Sie nicht so viel auf blöde Sprüche und den Gruppenzwang. Wahrscheinlich haben die, die jedes Bier und jeden Kurzen mitnehmen, morgen sowieso wieder vergessen, dass sie Sie mal „Spielverderber“ genannt haben.
Quellenangaben
[1] M. van S. Lantman, M. Mackus, A. J. A. E. van de Loo, und J. C. Verster, „The impact of alcohol hangover symptoms on cognitive and physical functioning, and mood“, Hum. Psychopharmacol. Clin. Exp., Bd. 32, Nr. 5, S. e2623, Sep. 2017, doi: 10.1002/hup.2623.
[2] J. C. Verster u. a., „The Alcohol Hangover Research Group Consensus Statement on Best Practice in Alcohol Hangover Research“, Curr. Drug Abuse Rev., Bd. 3, Nr. 2, S. 116–126, Juni 2010.
[3] „The Hangover: Pathophysiology and Treatment of an Alcohol-Induced Hangover – Clinical Correlations“. https://www.clinicalcorrelations.org/2011/05/27/the-hangover-pathophysiology-and-treatment-of-an-alcohol-induced-hangover/ (zugegriffen Dez. 11, 2018).
[4] R. Penning, M. van Nuland, L. A. L. Fliervoet, und B. O. and J. C. Verster, „The Pathology of Alcohol Hangover“, Current Drug Abuse Reviews, Mai 31, 2010. http://www.eurekaselect.com/94052/article (zugegriffen Dez. 11, 2018).
[5] „Physical and Psychomotor Functioning of Females the Morning After Consuming Low to Moderate Quantities of Beer: Journal of Studies on Alcohol: Vol 67, No 3“. https://www.jsad.com/doi/abs/10.15288/jsa.2006.67.416 (zugegriffen Dez. 12, 2018).
[6] D.-J. Kim u. a., „Effects of alcohol hangover on cytokine production in healthy subjects“, Alcohol, Bd. 31, Nr. 3, S. 167–170, Nov. 2003, doi: 10.1016/j.alcohol.2003.09.003.
[7] S. Kaivola, J. Parantainen, T. Österman, und H. Timonen, „Hangover Headache and Prostaglandins: Prophylactic Treatment with Tolfenamic Acid“, Cephalalgia, Bd. 3, Nr. 1, S. 31–36, März 1983, doi: 10.1046/j.1468-2982.1983.0301031.x.
[8] J. Howland und D. J. R. and E. M. Edwards, „Are Some Drinkers Resistant to Hangover? A Literature Review“, Current Drug Abuse Reviews, Dez. 31, 2007. http://www.eurekaselect.com/92361/article (zugegriffen Dez. 11, 2018).
[9] A. J. A. E. van de Loo u. a., „Susceptibility to Alcohol Hangovers: The Association with Self-Reported Immune Status“, Int. J. Environ. Res. Public. Health, Bd. 15, Nr. 6, Juni 2018, doi: 10.3390/ijerph15061286.
[10] E. Harburg, R. Gunn, L. Gleiberman, W. DiFranceisco, und A. Schork, „Psychosocial factors, alcohol use, and hangover signs among social drinkers: a reappraisal“, J. Clin. Epidemiol., Bd. 46, Nr. 5, S. 413–422, Mai 1993.
[11] M. H. Pittler, J. C. Verster, und E. Ernst, „Interventions for preventing or treating alcohol hangover: systematic review of randomised controlled trials“, BMJ, Bd. 331, Nr. 7531, S. 1515–1518, Dez. 2005, doi: 10.1136/bmj.331.7531.1515.
[12] J. Wiese, S. McPherson, M. C. Odden, und M. G. Shlipak, „Effect of Opuntia ficus indica on symptoms of the alcohol hangover“, Arch. Intern. Med., Bd. 164, Nr. 12, S. 1334–1340, Juni 2004, doi: 10.1001/archinte.164.12.1334.
[13] G. G. Graham, K. F. Scott, und R. O. Day, „Alcohol and paracetamol“, Aust. Prescr., Bd. 27, Nr. 1, S. 14–5, Feb. 2004, doi: 10.18773/austprescr.2004.009.
[14] D. J. Rohsenow u. a., „Intoxication With Bourbon Versus Vodka: Effects on Hangover, Sleep, and Next-Day Neurocognitive Performance in Young Adults“, Alcohol. Clin. Exp. Res., Bd. 34, Nr. 3, S. 509–518, März 2010, doi: 10.1111/j.1530-0277.2009.01116.x.