In unserem cerascreen® Newsblog erklären wir Ihnen jede Woche einen Begriff oder eine wichtige Frage rund um das Coronavirus und die COVID-19-Pandemie. Heute geht es um Risikogruppen und die mögliche Rolle von Übergewicht und Geschlecht.
Das Coronavirus ist berüchtigt dafür, unheimlich unterschiedliche Krankheitsverläufe auszulösen: von komplett beschwerdefreien Verläufen über einen gestörten Geruchs- und Geschmackssinn und leichte Grippesymptome bis hin zur schweren Lungenentzündung. Wissenschaftler interessiert deswegen besonders, bei welchen Menschen und unter welchen Bedingungen es zu schweren Symptomen kommt.
Wer gehört also zu den Risikogruppen für einen schweren Verlauf? Wir geben Ihnen einen Überblick, beleuchten die Zusammenhänge zwischen COVID-19 und Übergewicht und sehen uns zusätzlich an, warum Männer häufiger schwer erkranken als Frauen.
Tipp: In unserem Gesundheitsportal finden Sie einen Artikel mit aktuellen und verständlichen Informationen rund um das Coronavirus und COVID-19.
Risikogruppen für COVID-19
Zunächst einmal ist es wichtig zu klären, was Risikogruppe überhaupt bedeutet, wenn es um das Coronavirus SARS-CoV-2 geht. Es geht nicht darum, dass bestimmte Gruppen ein höheres Risiko haben, sich anzustecken. Das Virus ist neu, unsere Abwehrkräfte sind darauf nicht eingestellt – deswegen kann sich jeder anstecken.
Wenn Experten von Risikogruppen für COVID-19 sprechen, meinen sie vielmehr die Menschen, die ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben.
Was sind die Risikogruppen?
Das Robert-Koch-Institut nennt vor allem folgende Risikogruppen für schwere Verläufe [1]:
- Ältere Menschen ab etwa 50 bis 60 Jahren
- Stark übergewichtige (adipöse) Menschen
- Menschen mit Vorerkrankungen wie chronischen Lungenkrankheiten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs, Diabetes und Immunschwäche
- Raucher (hier ist die Studienlage aber noch nicht eindeutig)
Welche Rolle spielt Übergewicht bei COVID-19?
Starkes Übergewicht ist einer der Risikofaktoren, die erst seit kurzem in den Listen der Gesundheitsbehörden auftauchen. Anfang Mai rückte eine britische Studie das Thema in den Fokus der Öffentlichkeit. Die Forscher verglichen die Daten von fast 17.000 Menschen, die an COVID-19 erkrankt waren. Dabei fiel ihnen auf, dass Menschen, die stark übergewichtig waren, also einen BMI über 30 hatten, häufiger schwere Verläufe hatten und an der Erkrankung verstarben [2].
Andere Untersuchungen scheinen das zu bestätigen: Französische Forscher stellten fest, dass Menschen, die wegen schwerer COVID-19 ein Beatmungsgerät benötigten, häufig stark übergewichtig waren [3]. Und in einer amerikanische Studie, an rund 4.100 Patient*innen mit dem Coronavirus, war Fettleibigkeit nach dem Alter der wichtigste Einflussfaktor für schwere Verläufe [4].
Was bedeutet starkes Übergewicht?
In all diesen Studien geht es nicht um Menschen, die ein paar Kilos zu viel auf den Hüften haben – sondern um starkes Übergewicht. Ärzt*innen stellen Übergewicht meist anhand des Body-Mass-Index fest, des BMI. Der BMI berechnet sich aus Körpergröße und Gewicht. Zur Berechnung gibt es im Internet zahlreiche Tools, die Sie nutzen können.
Für den BMI sind folgende Abstufungen definiert:
- BMI 18,5 bis 25: Normalgewicht
- BMI über 25: Übergewicht
- BMI über 30: Adipositas (Fettleibigkeit)
- BMI über 35: starke Adipositas
Der BMI ist nur eine grobe Einschätzung und bezieht etwa nicht das Verhältnis von Muskelmasse und Fettmasse mit ein. Ab einem BMI von 30 liegt jedoch mit hoher Wahrscheinlichkeit ein starkes Übergewicht vor.
Warum wirkt sich Übergewicht auf COVID-19 aus?
Warum wirkt sich starkes Übergewicht auf den Verlauf von COVID-19 aus? Dafür gibt es mehre Erklärungen.
Zum einen kann Fettleibigkeit die Lunge beeinträchtigen. Die Atemwege haben dann aufgrund des Körperfetts weniger Platz und sind schlechter belüftet, was dem Virus die Ausbreitung erleichtert. Kommt es wegen COVID-19 zu einer Lungenentzündung, ist das für adipöse Menschen zudem besonders gefährlich, da sie oftmals ohnehin schon eine eingeschränkte Lungenfunktion haben [5].
Eine andere Theorie sind anhaltende Entzündungen, die bei stark übergewichtigen Personen häufig auftreten. Diese Entzündungen könnten eine gefährliche Überreaktion des Immunsystems wahrscheinlicher machen, die bei COVID-19 häufig zu Problemen führt [6].
Wie kann ich das Risiko reduzieren?
Um das Risiko eines schweren Verlaufs von COVID-19 zu reduzieren, lohnt es sich vor allem bei Übergewicht, die Lunge zu trainieren. Tägliche Bewegung wie zügiges Spazierengehen oder Radfahren können bereits helfen. Hauptsache, Sie strengen sich an, Ihr Puls geht nach oben und Ihre Lunge muss arbeiten. So wird sie besser durchlüftet.
Tipp: Die Coronavirus-Pandemie bringt Ihre Bewegungs-Routinen durcheinander? Wir haben Ihnen Übungen für ein Workout zuhause zusammengestellt – vielleicht sind auch gute Übungen für Sie dabei! So verwandeln Sie ganz einfach Ihre eigenen vier Wände in Ihr persönliches Fitnessstudio.
Bei starkem Übergewicht ist es natürlich auch sinnvoll, überschüssige Pfunde abzubauen. Spannende Informationen und Tipps dazu finden Sie in unserem Gesundheitsartikel über Abnehmen und Diäten.
Welche Rolle spielt das Geschlecht?
Auch das Geschlecht scheint den Verlauf von COVID-19 zu beeinflussen. Datenanalysen zeigen, dass Männer sich im Durchschnitt eher anstecken und schwerer erkranken als Frauen.
Die britische Studie an 17.000 Coronavirus-Patient*innen ergab im Schnitt, dass Männer in allen Altersklassen schwerere Verläufe hatten [2]. In einer Untersuchung von 5.700 Fällen aus New York waren 60 Prozent derjenigen, die wegen COVID-19 ins Krankenhaus mussten, männlich. Unter den Patienten auf der Intensivstation stieg der Männeranteil sogar auf fast 67 Prozent [7]. Ein ähnliches Bild ergab eine große chinesische Studie an mehr als 44.000 Menschen mit dem Coronavirus. Unter den Betroffenen starben 2,8 Prozent der Männer, aber nur 1,7 Prozent der Frauen [8].
In einer Studie aus Indien wiederum brauchten Männer im Schnitt sechs Tage, um das Coronavirus aus dem Körper loszuwerden, bei Frauen waren es nur durchschnittlich vier Tage. Offenbar braucht das Immunsystem von Männern länger, um das Virus zu bekämpfen [9].
Warum ist das Risiko für Männer höher?
Über die Gründe können Wissenschaftler derzeit nur spekulieren, auch wenn es einige Theorien und Daten gibt. Denn ähnliche Unterschiede zwischen den Geschlechtern bestehen auch bei anderen Viruserkrankungen, etwa bei Grippe oder Erkältung. Einige Forscher gehen mittlerweile sogar davon aus, dass Männer generell eine schwächere Immunabwehr haben.
Gut zu wissen: Ist die „Männergrippe“ Mythos oder Realität? Tatsächlich zeigen wissenschaftliche Studien, dass die Immunabwehr von Männern möglicherweise schwerer mit Erkältungs- und Grippeviren fertig wird als die von Frauen. Deswegen könnten Männer schwerere Symptome haben, wenn Sie sich einen Infekt einfangen [10].
Haben Frauen das stärkere Immunsystem?
Eine gängige Theorie ist, dass weibliche Geschlechtshormone wie Östrogen und Progesteron das Immunsystem unterstützen. Frauen haben von diesen Hormonen deutlich mehr im Körper als Männer. In Tierversuchen an Mäusen konnte Östrogen etwa bei der Abwehr von Erkältungsviren helfen [11]. US-Wissenschaftler wollen deswegen sogar bereits in einer Studie testen, ob Östrogen-Pflaster den COVID-19-Verlauf bei Männern und bei Frauen ab den Wechseljahren abschwächen können [12].
Andere Erklärungen drehen sich um das zweite X-Chromosom bei Frauen, das deren Immunsystem generell stärken könnte. Eine weitere, noch einfachere Theorie: Offenbar halten sich Frauen eher an Hygienevorgaben, wie das richtige Händewaschen. Vielleicht ist es also auch das gesundheitsbewusstere Verhalten, das viele Frauen vor schweren Infektionen schützt [13].
Werden wir nach einer Infektion mit dem Coronavirus immun? Oder kann man sich erneut anstecken? Erfahren Sie in unserem Blogartikel über Immunität bei COVID-19 mehr über die Forschung zum Thema.
Quellen
[1] Robert-Koch-Institut, „Coronavirus SARS-CoV-2 - SARS-CoV-2 Steckbrief zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)“. https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html (zugegriffen März 31, 2020).
[2] A. B. Docherty u. a., „Features of 16,749 hospitalised UK patients with COVID-19 using the ISARIC WHO Clinical Characterisation Protocol“, medRxiv, S. 2020.04.23.20076042, Apr. 2020, doi: 10.1101/2020.04.23.20076042.
[3] A. Simonnet u. a., „High prevalence of obesity in severe acute respiratory syndrome coronavirus-2 (SARS-CoV-2) requiring invasive mechanical ventilation“, Obesity (Silver Spring), Apr. 2020, doi: 10.1002/oby.22831.
[4] C. M. Petrilli u. a., „Factors associated with hospitalization and critical illness among 4,103 patients with COVID-19 disease in New York City“, medRxiv, S. 2020.04.08.20057794, Apr. 2020, doi: 10.1101/2020.04.08.20057794.
[5] S. Scott, J. Currie, P. Albert, P. Calverley, und J. P. H. Wilding, „Risk of Misdiagnosis, Health-Related Quality of Life, and BMI in Patients Who Are Overweight With Doctor-Diagnosed Asthma“, Chest, Bd. 141, Nr. 3, S. 616–624, März 2012, doi: 10.1378/chest.11-0948.
[6] „Being male or overweight can lead to more serious COVID-19 hospital admissions | Imperial News | Imperial College London“, Imperial News. https://www.imperial.ac.uk/news/197216/being-male-overweight-lead-more-serious/ (zugegriffen Mai 13, 2020).
[7] S. Richardson u. a., „Presenting Characteristics, Comorbidities, and Outcomes Among 5700 Patients Hospitalized With COVID-19 in the New York City Area“, JAMA, Apr. 2020, doi: 10.1001/jama.2020.6775.
[8] T. N. C. P. E. R. E. Team, „The Epidemiological Characteristics of an Outbreak of 2019 Novel Coronavirus Diseases (COVID-19) — China, 2020“, CCDCW, Bd. 2, Nr. 8, S. 113–122, Feb. 2020, doi: 10.46234/ccdcw2020.032.
[9] A. Shastri u. a., „Delayed clearance of SARS-CoV2 in male compared to female patients: High ACE2 expression in testes suggests possible existence of gender-specific viral reservoirs“, medRxiv, S. 2020.04.16.20060566, Apr. 2020, doi: 10.1101/2020.04.16.20060566.
[10] K. Sue, „The science behind “man flu”“, BMJ, Bd. 359, Dez. 2017, doi: 10.1136/bmj.j5560.
[11] R. Channappanavar, C. Fett, M. Mack, P. P. T. Eyck, D. K. Meyerholz, und S. Perlman, „Sex-Based Differences in Susceptibility to Severe Acute Respiratory Syndrome Coronavirus Infection“, The Journal of Immunology, Bd. 198, Nr. 10, S. 4046–4053, Mai 2017, doi: 10.4049/jimmunol.1601896.
[12] Nachman, S., „Estrogen Patch for COVID-19 Symptoms“, 2020, [Online]. Verfügbar unter: https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT04359329.
[13] L. K. P. Suen, Z. Y. Y. So, S. K. W. Yeung, K. Y. K. Lo, und S. C. Lam, „Epidemiological investigation on hand hygiene knowledge and behaviour: a cross-sectional study on gender disparity“, BMC Public Health, Bd. 19, Nr. 1, S. 401, Apr. 2019, doi: 10.1186/s12889-019-6705-5.